Stellingen. Tony Kershaw liebt Warzenschweine. Ganz ehrlich! Er behauptet sogar, die Tiere seien wunderschön. Wenn man eines also nicht sagen kann, dann, dass der Reviertierpfleger nichts mit Tieren anfangen kann, die nicht den allgemeinen Kuscheltierstandards genügen. Und doch: An seine Strauße wird er sich nie richtig gewöhnen. "Bei so einem kleinen Kopf, was soll man da schon erwarten?", brummelt Kershaw und schüttelt sein eigenes Haupt. Kein Wunder, dass sein Straußenhahn Erbse heißt ...

Dabei können die drei Blauhalsstrauße im Tierpark Hagenbeck doch gleich mit mehreren Superlativen aufwarten. Erstens sind sie mit einer Körpergröße von 2,50 bis 2,80 Metern die größten lebenden Vögel. Zweitens erreichen sie laufend über kurze Distanzen Geschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometer je Stunde, über lange Distanzen immerhin noch durchschnittlich 50. Und drittens schleppen sie dabei bis zu fünf Kilogramm Steine in ihrem Magen mit sich herum, als speziellen Verdauungs-Trick. Da mag man ihnen, sagen wir es norddeutsch, eine gewisse Döspaddeligkeit durchaus nachsehen.

Der Südafrikanische Blauhalsstrauß, eine Unterart des Afrikanischen Straußes, ist in den offenen Savannen des südlichen Afrikas weit verbreitet. Bei Hagenbeck leben die drei großen Vögel mit Chapman-Zebras und Warzenschweinen zusammen auf der sogenannten "Afrikanischen Steppe", die zu Carl Hagenbecks berühmtem Afrika-Panorama gehört. Tony Kershaw erinnert sich nur zu gut an den Tag, als die Arten zusammengelassen wurden: "Dass die Zebras das Sagen haben würden, wussten wir. Aber auf das Zusammentreffen zwischen Erbse und dem Warzenschweinmann waren wir nicht vorbereitet. Erbse aber auch nicht!" Während sich der Straußenhahn aufplusterte und mit breiten, wippenden Flügeln seine Drohgebärde einnahm, dachte das Warzenschwein gar nicht daran, sich davon beeindrucken zu lassen. Es kam näher und näher - bis es Erbse zu bunt wurde und er das Weite suchte. "Tja", sagt Kershaw. Und seufzt.

Keine Planung bei der Fortpflanzung, dafür aber Steine im Magen

Vielleicht liegt es daran, dass Erbse, der 2005 von einem privaten Züchter in den Hamburger Tierpark kam, mit gerade einmal zwei Metern nicht sonderlich groß gewachsen ist. Und auch im Umgang mit seinen beiden Damen, die sich durch ein gräulich-braunes Gefieder von dem tiefschwarzen Hahn abheben, gibt es einige Unstimmigkeiten, erzählt Kershaw: "Die Hennen legen bei uns ihre Eier im Winter. Das hatten wir vorher noch nie!" Stören tut es den Tierpark, der seit seiner Eröffnung im Jahr 1907 mit großem Erfolg und fast durchgängig Strauße gezüchtet hat, jedoch nicht. "Wir wollen von diesen drei Tieren keinen Nachwuchs, weil sie Kreuzungen sind. Und davon gibt es einfach zu viele in Zoos. Wir züchten erst wieder, wenn wir reinrassige Blauhalsstrauße bekommen", sagt Kershaw.

Der gebürtige Brite ist einer der wenigen Tierpfleger, die zu den großen Vögeln ins Gehege gehen. Sind Strauße mit ihrem Gewicht von 130 Kilogramm und vor allem ihren langen Krallen an den beiden Zehen doch extrem wehrhaft. So verteidigen sie sich, ihre Gelege und ihre Jungen im Freiland sogar gegen Löwen, die sie, so sagt man, mit einem Tritt töten können. Sicherheitshalber gibt es für die Tierpfleger eine Fluchttür im Graben des Geheges.

Gefüttert werden die Vegetarier mit Obst und Gemüse, vor allem Weißkohl. Und die Steine im Magen? "Die fressen sie selber, um damit die Nahrung zu zermahlen", sagt Kershaw. Denn die Vögel können recht große Brocken schlucken. Eins jedoch tun Strauße nicht: den Kopf, und sei er noch so klein, in den Sand stecken. Das Sprichwort ist wohl deshalb entstanden, weil brütende Strauße "halslos" aussehen - sie legen ihren Hals zur Tarnung oft flach auf den Boden und wirken so auf die Entfernung wie ein Hügel. Doch gar nicht so dumm, Herr Kershaw!

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