Wer wird neue Bischöfin? EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr und Hamburger Pröpstin Kirsten Fehrs sind im Endspurt des Wahlkampfes.

Hamburg. Vor der Wahl wird gebetet. So ist das bei der Nordelbischen Kirche. Und auch am 17. Juni, wenn die 140 Synodalen im Michel eine neue Bischöfin für den Sprengel Hamburg und Lübeck wählen, wird es nicht anders sein. Sie müssen entscheiden, ob die Hamburger Hauptpastorin und Pröpstin Kirsten Fehrs, 49, oder die Oberkirchenrätin und EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr, 45, aus Berlin Nachfolgerin der im Juli 2010 zurückgetretenen Bischöfin Maria Jepsen wird. "Es sind zwei starke Frauen", sagte Synoden-Präsident Hans-Peter Strenge am Mittwoch bei der offiziellen Vorstellung. Alles deutet darauf hin, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird.

Wenn Politiker nach einem höheren Amt streben, machen sie Wahlversprechen. Theologen predigen. "Ich empfinde Scham", sagte Kirsten Fehrs bei ihrer Vorstellungspredigt und zielte damit direkt ins Innere Nordelbiens. Als sie den schwelenden Missbrauchsskandal in ihrer Kirche anprangerte, wurde es plötzlich ganz still in dem hohen Kirchenraum von St. Nikolai. "Wir müssen lernen, genauer hinzuschauen, hinzuhören, und wir müssen lernen zu reden", predigte Fehrs. Und sie sprach vielen Zuhörern aus der Seele. Die Bürgermeistertochter aus Dithmarschen ist eine Frau, die Konflikte nicht scheut - und sie trifft den richtigen Ton. "Es war ein Gottesdienst, bei dem ich mich zu Hause fühlen konnte", sagte der Hamburger Synodale Stephan Harms hinterher. "Mich haben die Konsequenz ihres Gedankengangs beeindruckt und die Wärme und Herzlichkeit", urteilte ein anderer.

Da hatte sich eine Woche zuvor die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr von derselben Kanzel ganz anders präsentiert. Und - ausgerechnet am Sonntag "Jubilate" - vor der "Volkskrankheit Burnout" gewarnt. "Unser Platz ist an der Seite der Traurigen", sagte die promovierte Theologin und, dass das eine "Herausforderung für die Kirche" sei. Das klang distanziert, "aber auch neuer und moderner", sagte der Lübecker Kirchenparlamentarier Jürgen Westermann. Petra Bahr sei eine Frau des Wortes, sagte eine andere Besucherin. "Sie hat ein menschliches Thema sehr gut theologisch ausgeführt."

Die beiden Kandidatinnen, das zeigt sich nach dem innerkirchlichen Bewerbungsverfahren, sind ebenbürtige Gegnerinnen - mit unterschiedlichen Profilen. Fehrs steht für die Innensicht, ist nach 20 Jahren in der Nordelbischen Kirche bestens vertraut mit Strukturen und Problemen. Ihre Stärken sind Gottesdienste und Seelsorge. Sie wolle, sagt sie etwas umständlich, "integrierend wirken, zwischen Kirche und Gesellschaft, aber auch innerhalb unserer Kirche". Bahr, die von außen kommt, gilt als kluge und professionelle Rednerin. Ihr wird zugetraut, die Kirche in Gesellschaft und Politik zu vertreten und unbelastet neue Anstöße geben zu können. In einer Zeit, in der sich das Christentum nicht mehr von selbst versteht, will sie "als leidenschaftliche Theologin eine Bischöfin sein, die übersetzt".

Betrachtet man es grundsätzlich, ist ein Bischof - egal, ob Frau oder Mann - nicht mehr als ein Pastor mit Sonderaufgaben. Tatsächlich aber geht es um eines der wichtigsten Ämter in der Region Hamburg und Lübeck. Und um einen Riesenberg an Aufgaben und Erwartungen. Immer weniger Menschen sind in der Kirche, die Einnahmen sinken und im nächsten Jahr steht die Mega-Fusion der Nordelbischen Landeskirche mit der Mecklenburgischen und der Pommerschen zur Nordkirche an. Eine weitere Herausforderung: 2013 ist Hamburg Gastgeber des Evangelischen Kirchentags mit Tausenden Veranstaltungen und mehr als 100 000 Dauergästen.

Gesucht wird eine moralische Instanz. Gemessen daran läuft der Wahlkampf um den Bischofsstuhl sehr zurückhaltend.

So präsentierten sich die beiden Bewerberinnen gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Statt sich gegenseitig zu beharken, tauschten die Frauen Nettigkeiten aus. "Wir sind uns ähnlicher, als manche meinen", sagte Kirsten Fehrs. Auch äußerlich: Beide sind zierlich, tragen ihre blonden Haare kurz geschnitten, eine Brille mit goldenen Bügeln, und sie lieben Jazz. Nach ihren Schwächen befragt, nennen beide ihre Ungeduld.

Prognostizieren will inzwischen niemand mehr, wie die Wahl ausgeht. Zumal die Synodalen in der Vergangenheit immer wieder für Überraschungen gesorgt haben, etwa als sie 1992 Maria Jepsen zur Bischöfin wählten - und nicht den als Favoriten gesetzten Michel-Hauptpastor Helge Adolphsen. Im Kirchenparlament macht inzwischen - ganz unchristlich - ein lockerer Spruch die Runde: "Ein bisschen Bahr, ein bisschen Fehrs - das wär's."