Die gute Nachricht für die Union vorab: Die CDU bleibt in der jüngsten Umfrage mit 30 Prozent stärkste Partei, noch vor den Grünen und der SPD. Da fällt es manchem nicht schwer, sich die Horrorzahlen schönzureden, die wöchentlich auf die Union niederprasseln. So verweist man in der CDU darauf, dass die nächste Bundestagswahl erst 2013 sei, man keine Umfragen, sondern Wahlen gewinnen wolle und ein Blick auf die darbende SPD das Problem relativiere.

Das alles klingt plausibel - und ist doch brandgefährlich: Denn es sind genau diese Beruhigungsdragees, die auch die Hamburger CDU konsumiert hatte. Zur vermeintlichen Halbzeit der Legislaturperiode im Februar 2010 landeten die Christdemokraten in Hamburg wie die SPD laut Umfrage bei katastrophalen 31 Prozent. Das schreckte die Union wenig. Schließlich glich die einst so stolze hanseatische SPD damals einem Trümmerhaufen, ein Regierungswechsel schien ausgeschlossen. Wie schnell sich die Zeiten ändern können, erfuhr die CDU bei der Hamburg-Wahl.

Und die Parallelen zwischen der Regierung Merkel und dem Beust-Senat reichen noch tiefer. In Hamburg wie bundesweit hat sich die Union von ihrer Wählerklientel entfremdet. Runzelten die Hanseaten einst die Stirn über die grün-schwarze Primarschule oder die Hafenferne, löst nun der überstürzte Atomausstieg oder die Abschaffung der Wehrpflicht bei vielen CDU-Wählern Unverständnis aus. Solange der politische Gegner keine Alternative zu bieten hat, mag der Flirt mit grünen Positionen funktionieren. Doch der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Olaf Scholz gelang für die SPD die Wende, indem er bis tief ins bürgerliche Lager einbrach, einen bürgerlichen Wirtschaftssenator aus dem Hut zauberte und der Union in Hamburg vorwarf, die wirtschaftsfeindlichste Politik seit dem Krieg zu betreiben. Wer derzeit SPD-Politikern lauscht, fühlt sich an diese Argumente erinnert. Plötzlich gefallen sich Linke wie Hannelore Kraft oder Olaf Scholz als letzte Verteidiger von Wirtschaft und Industrie. Mit einem bürgerlichen Spitzenkandidaten, etwa einem Peer Steinbrück, könnte sogar der Bundes-SPD eine Hamburger Wende gelingen. Zumal noch von anderer Seite Rückenwind kommen dürfte: Wie lange der grüne Höhenflug trägt, wenn ein Bundeskanzler Jürgen Trittin näher rückt, steht noch dahin.

Das alles mag Zukunftsmusik sein, aber es ist eine Musik, die der Union in den Ohren dröhnen muss.