Vor Gericht kommt ein 30-Jähriger mit Bewährung davon

Bergedorf. Als Jens R. auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft etwas entgegnet, schwingt ein Hauch (gespielter?) Empörung in seiner Stimme mit: "Ich bestreite. Natürlich!", sagt der 30-Jährige. Ihm gegenüber sitzt seine Ex-Freundin, die Nebenklägerin. "Er war nie gewalttätig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so brutal gewesen sein soll", sagt die 24-Jährige. Brutal ist hier noch reichlich tiefgestapelt. Die Staatsanwaltschaft hat Jens R. angeklagt, weil er Anfang Dezember 2009 seinen drei Monate alten Sohn Levin aus Zorn über dessen anhaltendes Weinen gegen den Kopf geschlagen haben soll. Derart wuchtig, dass das Baby eine lebensbedrohliche Hirnblutung erlitten und eine chronische Entwicklungsstörung davongetragen habe. Inzwischen, sagt indes seine Mutter, gehe es Levin gut. "Er ist aufgeweckt, läuft, fängt an zu sprechen." Erst in zwei Jahren werde man Genaueres wissen.

Vor Gericht erzählt Jens R. eine abenteuerliche Geschichte. Dass er an jenem Tag mit dem Baby auf dem Arm durch die Wohnung lief, während sein älterer Sohn an seinem Hosenbein zog und er ins Straucheln geriet. Dass er plötzlich Angst hatte, der Säugling könne ihm entgleiten. Da habe er Levin ruckartig hochgezogen, worauf sie beide mit dem Kopf heftig zusammenstießen. Kurz darauf habe sich Levins Gesicht verfärbt, das Baby wimmerte, übergab sich. Sein Großvater, ein Krankenpfleger, rief sofort den Krankenwagen. "Es war ein schrecklicher Anblick", sagt Jürgen S., 52. Das Leben des Säuglings hing am seidenen Faden, konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Wenige Stunden später zeichneten sich streifenförmige blaue Hämatome im Gesicht des Babys ab.

"Das Verletzungsmuster ist ein klassisches Beispiel für einen kräftigen Schlag mit der flachen Hand", sagte die rechtsmedizinische Gutachterin vor Gericht. Bei der Untersuchung von Levin hätten sich zudem Hinweise auf eine frühere Schädigung des Gehirns ergeben - "möglicherweise durch ein Schütteltrauma", sagt die Expertin. Es sei nicht auszuschließen, dass durch den Schlag eine alte Verletzung wieder aufgebrochen ist. Ob die Staatsanwaltschaft deshalb neue Ermittlungen anstellen wird, ist noch unklar.

Die schlimmen Tatfolgen könnten dem Angeklagten strafrechtlich jedenfalls nicht zugerechnet werden, die Ohrfeige hingegen schon, zumindest abstrakt habe er den Kleinen in Lebensgefahr gebracht, sagt der Richter und verurteilt Jens R. lediglich zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung - ein Urteil mit Beigeschmack. Seine Kinder darf der 30-Jährige unter Aufsicht der Mutter trotzdem sehen. "Sie freuen sich immer riesig", sagt der Vater.