Stellingen. Löwe oder Tiger, Krokodil oder Hai - das Anfassen von Zootieren ist nur in wenigen Fällen erlaubt. Zu Recht! Weder sollen (und wollen) Besucher Hand oder Leben im Tierpark lassen, noch sollen die Tiere leiden. Unter Krankheiten, Parfüms und Eiscreme-Masse, die von den Menschen auf die Tiere "abgestreichelt" werden. Herr Braun ist da anders. Er ist der Berufs-Handschmeichler des Tierparks, sozusagen. Allerdings rein im Dienst der Lehre.

Herr Braun ist eine Kornnatter und eines von vier Tieren der Zooschule im Tierpark Hagenbeck. Nicht, dass er hier Rechnen und Rolle rückwärts lernen soll, wie Besucher gerne beim Begriff Zooschule denken. Die Einrichtung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung bietet für Schulklassen, aber auch Privatgruppen Führungen durch den Tierpark an, um Einblicke in das tierische Leben und Verhalten zu geben.

"Warm oder kalt, feucht oder trocken, rau oder glatt - wie wird sich die Schlange anfühlen?" Keike Johannsen und ihr Team wissen darum, dass Schlangen nur bei wenigen Menschen ein Kuscheltier-Image haben, und wollen mit dem Mythos von eklig-glitschig-kalt aufräumen. "Das", sagt die Zoopädagogin, "geht am besten, wenn man die Tiere richtig begreift."

Das tun die meisten Schüler nur zu gerne, wenn auch teils mit gehörigem Respekt. Herr Braun nimmt es ebenso wie sein Artgenosse Korni gelassen, aus dem Terrarium gehoben und von vielen kleinen Händen vorsichtig angefasst zu werden. "Beide Schlangen sind die Handhabung von Anfang an gewohnt gewesen und bleiben dabei vollkommen ruhig", sagt Keike Johannsen. Wichtig dabei sei, dass die Grundregeln, wie man eine Schlange hält, eingehalten würden, doch darin seien sie von den Tierpflegern des Tropen-Aquariums geschult worden. Und dass sie bei den beiden Kornnattern das strikte "Auftrittsverbot" einhalten: Immer kurz vor und während der Häutung und zwei bis drei Tage nach jeder Fütterung - "sonst würgen die Schlangen im schlimmsten Fall ihre Mäuse wieder hervor", sagt Johannsen. Und das möchte keiner.

Kornnattern sind ungiftige, mit bis zu 150 Zentimetern Körperlänge mittelgroße Schlangen aus Nordamerika. Dass sie ausgesprochen gute Kletterer sind, die so im Freiland Vogelnester in Bäumen plündern, hat Herr Braun bereits bewiesen. "Wir füttern die Schlangen einzeln, alle zwei bis drei Wochen, in einer speziellen Futterbox. Anfänglich hatten wir auf diese zur Abdeckung nur ein Handtuch gelegt ...", erzählt Keike Johannsen. Herr Braun, drei bis vier Jahre alt, 90 Zentimeter lang und durchaus wendig, nutzte die Gunst der Stunde - und war schon fast hinter dem Fotokopierer verschwunden, als ihn einer der Zoopädagogen entdeckte und ins Terrarium zurückbrachte.

Im Umgang mit den Kindern hat sich das wildfarbene, braun-graue Männchen, das sich deutlich von der rötlich-gelben Farbvariante Kornis unterscheidet (Johannsen: "Zwei Männchen, denn wir wollen keinen Nachwuchs"), bisher tadellos verhalten. Beißen können allerdings auch Würgeschlangen wie die Kornnattern.

Kalt und nass sind sie hingegen nicht - ganz im Gegenteil, lernen die Schüler mithilfe von Herrn Braun. Und auch, dass er durch seine gespaltene Zunge "Richtungsriechen" kann, wie Keike Johannsen sagt. Für Schlangen, die nicht hören können, eine wichtige Fähigkeit beim Aufspüren der Beute. Diese besteht in der Zooschule übrigens aus Mäusen, die tot verfüttert werden.

Während Herr Braun seinen Namen seiner Färbung zu verdanken hat, ist die Bezeichnung Kornnatter übrigens wahrscheinlich auf den bevorzugten Lebensraum der Schlangen zurückzuführen. Diese machen mit Vorliebe auf Getreidefeldern und in Kornspeichern Jagd auf Nagetiere.

Doch auch hinter Kopierern findet man sie, gelegentlich.

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