Ein skurriler Fall: Der Diebstahl, den man den Frauen vorwirft, ist längst aufgeklärt. Die Tat hat schon jemand anderes gestanden.

Hamburg. Erstaunlich, diese Selbstsicherheit. Diese Gelassenheit, alles so wirkungslos an sich abperlen zu lassen. Wo, bitteschön, ist denn eigentlich das Problem, signalisiert ihre Ausstrahlung - so entspannt, wie Mary und Samira A. im Verhandlungssaal des Amtsgerichts auf der Anklagebank sitzen, ihre Mienen gefasst, ihre Stimmen unaufgeregt. Ihnen kann, davon scheinen die beiden Frauen überzeugt, niemand etwas anhaben. Denn der Diebstahl, den man ihnen vorwirft, ist doch längst aufgeklärt. Die Tat hat schließlich schon jemand anderes gestanden!

Genau genommen war es ihre enge Verwandte Shekira, 16 Jahre alt, die Tochter von Mary A. und die jüngere Schwester von Samira, die am 9. November vergangenen Jahres bei einem gemeinsamen Einkauf des Trios in einem Drogeriemarkt beim Klauen auf frischer Tat geschnappt worden war. Wie sie mit einer Einkaufstasche voll mit Kosmetika, zwei Schwangerschaftstests und anderen Waren im Gesamtwert von knapp 130 Euro die Kasse passiert hatte, ohne zu bezahlen. Die Jugendliche kam in einem gesonderten Verfahren nach dem Jugendgesetz glimpflich davon.

Nach einem Gespräch mit einem Staatsanwalt wurde das Verfahren eingestellt. "Sie hatte tatsächlich was gestohlen", bestätigt ihre jetzt wegen gemeinschaftlichen Diebstahls angeklagte Mutter, und es klingt gänzlich unbesorgt, wie eine Nebensächlichkeit. "Sie hat auch schon früher mal gestohlen", schiebt die kräftig gebaute 45-Jährige noch hinterher. Sie selber, betont die bereits viermal wegen des gleichen Delikts vorbestrafte Mary A., sei dieses Mal jedenfalls unschuldig. Auch ihre ältere Tochter Samira weist den Vorwurf, sie habe geklaut, energisch von sich. Sie habe sich lediglich nach Naturheilmitteln, die bei Kreislaufproblemen wirken, erkundigt. Wenn ihre jüngere Schwester sage, sie sei bei der Tat dabei gewesen, dann sei dies nur eine Schutzbehauptung. "Das war wegen der Schwangerschaftstests, die waren für eine Freundin." Ihr Bruder sei da jedoch "ein bisschen komisch, deshalb hat sie das auf mich geschoben", wehrt die 26-Jährige ab. "Aber ich brauche keine Tests, ich habe selber Kinder. Ich kann doch zum Arzt gehen!"

Eine Zeugin ist sich indes sicher, dass die beiden Frauen mit der 16-jährigen Diebin gemeinsame Sache machten. Sie habe die drei Frauen beobachtet, erzählt die Drogeriemarkt-Mitarbeiterin, als sie durch den Laden geschlendert seien, Waren aus den Verpackungen genommen und in den Regalen versteckt hätten. Alle drei Frauen hätten dabei mitgemacht, ist die Zeugin sicher, und stets sei es die Jüngste gewesen, eine Jugendliche mit einer Tasche, der die Sachen im Vorbeigehen "diskret zugeschoben" worden seien. Schließlich habe die älteste der drei Frauen ein paar Kleinigkeiten bezahlt, die jüngste jedoch nichts. Bei der Beute scheint wirklich an alles, was das schönheitsbewusste Herz begehrt, gedacht worden zu sein: Haartönung, Mascara, Nagellack, Eyeliner, Augenbrauenstift und Lippenstift sowie Enthaarungscreme, zählt die Zeugin auf. Zudem waren Parfüm, zwei Packungen Kaugummi sowie die besagten beiden Schwangerschaftstests unter dem Diebesgut.

"Warum sollte ich die Verpackungen wegräumen?", gibt sich Mary A. nach der Zeugenaussage ahnungslos. Er könne nur vermuten, meint der Amtsrichter, dass die Überlegung eine Rolle gespielt haben mag, dass das Zurücklassen der Verpackungen "nicht nur umweltschonend ist, sondern man bekommt auf diese Weise auch mehr rein in die Tasche". Von der Schuld der beiden Angeklagten sind Staatsanwalt und Richter überzeugt. Mary A. habe "ihre eigene Tochter, die sie erziehen soll, zu Diebstählen verleitet", kritisiert der Ankläger in seinem Plädoyer. "Das ist schlimm. Eigentlich sollte sie sie von Straftaten abhalten."

Drei Monate Haft mit Bewährung verhängt der Richter für Mary A., zudem muss die 45-Jährige 300 Euro Geldbuße zahlen. Samira A. erhält eine Geldstrafe von 600 Euro. Beide Angeklagte seien "nicht völlig ahnungslos gewesen nach dem Motto: Wo hat das Kind nur die ganzen Sachen her", ist der Richter überzeugt. Es sei ein gemeinschaftlicher Plan und eine gemeinschaftliche Tat gewesen. Vielleicht hätten die Frauen "so kalkuliert, dass die Jüngste, die die geringste Strafe zu erwarten hat, die Hauptlast trägt"? Falls ja, dann hat sich das Trio verrechnet.