Die Feuerwehr rückte gestern 1293 Mal aus - und hat noch immer viel zu tun. Wetterexperten warnen: Das nächste Unwetter naht schon.

Hamburg. Die Aufräumarbeiten sind noch nicht beendet, da naht schon das nächste Unwetter. "Am Mittwoch erwarten wir in Norddeutschland eine ähnliche Wetterlage wie am Montagabend", sagt Wetterexperte Clemens Grohs vom Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation. Er rechnet mit schweren Gewittern mit starkem Regen, Hagel und Sturmböen am Mittag und Nachmittag, die dann aber rasch abziehen. Der Deutsche Wetterdienst warnt vor starken Niederschlägen von bis zu 25 Litern pro Quadratmetern und Stunde.

"Ursache ist eine Luftmassengrenze, die sich von Südwesten nach Nordosten über uns hinweg verlagert", so Grohs. Östlich dieser Luftmassengrenze werde es am Mittwoch nochmals hochsommerliche 30 Grad geben - allerdings nicht in Hamburg, sondern in Mecklenburg-Vorpommern. In der Hansestadt werden sich die Temperaturen am Donnerstag voraussichtlich auf 22 Grad einpendeln.

Überflutete Keller und Tiefgragen, wegschwimmende Autos, Straßen knietief unter Wasser: Für die Feuerwehr war Montag, der 6. Juni 2011 der stressigste Tag seit mehr als zehn Jahren. Sprecher Hendrik Frese: "Im August 2002 hatten wir schon einmal ein ähnlich heftiges Unwetter, aber die Gesamtzahl der Einsätze am Montag war noch einmal deutlich höher. Es war der heftigste Tag seit Jahren. Und mit Sicherheit einer der einsatzreichsten seit der großen Flut von 1962." Die Höhe der entstandenen Sachschäden ist bislang kaum zu beziffern. Autowerkstätten haben allerdings reichlich zu tun, an mehreren Gebäuden müssen Fassadenteile erneuert werden, in der Europa Passage beginnt die Suche nach der Ursache für das Deckenplatten-Chaos. Die Passage hatte evakuiert werden müssen, weil sich Platten lösten.

Bis Mitternacht zählte die Feuerwehr unter Mithilfe von 63 freiwilligen Feuerwehren allein 1.293 wetterbedingte Einsätze. In Spitzenzeiten waren mehr als 1000 Feuerwehrleute im Einsatz. Mit dem üblichen Tagesgeschäft registrierte die Feuerwehr somit am Montag 2.225 Einsätze. Durchschnittlich wird die Feuerwehr in Hamburg innerhalb von 24 Stunden zu etwa 630 Einsätzen gerufen.

Bei Karstadt an der Mönckebergstraße schoss das Wasser in der Bettwäscheabteilung von der Decke, in der Europa-Passage musste das Untergeschoss evakuiert werden.

Die Gewitterschauer brachten mancherorts mehr als 20 Liter Niederschlag pro Quadratmeter zu Boden und damit sehr viel mehr Regen, als sich mancher Hamburger angesichts der anhaltend hochsommerlichen Temperaturen wohl gewünscht hatte. Unter den Regen mischten sich zudem teils erbsengroße Hagelkörner. Allerdings waren nicht alle Stadtteile von dem Unwetter betroffen. In Teilen Harburgs fiel kein einziger Tropfen Regen.

"Solche heftigen Unwetter sind im Norden eher selten, kommen im Durchschnitt dreimal im Jahr vor", sagt Frank Böttcher, Chef des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg. Meteorologisch betrachtet entstand das Unwetter, nachdem sehr feuchte und warme Luft aus dem Süden von kalter Luft aus dem Westen, insbesondere aus Großbritannien, verdrängt wurde und in höhere Schichten aufstieg. Das Ergebnis: Viele Keller, Tiefgaragen und Parterrewohnungen wurden überflutet, Bäume stürzten um, Gehwege sackten weg, Autos blieben in einen halben Meter tiefen Pfützen stecken, weil die Kanalisation überfordert war, die Wassermassen zu bewältigen. Der Druck in den Wasserableitungen war teilweise so hoch, dass Gullydeckel aus ihren Fassungen gehoben und weggeschwemmt wurden.

Am U-Bahnhof Gänsemarkt musste ein Ausgang gesperrt werden, nachdem das Wasser in breiten Kaskaden die Treppen hinuntergelaufen war. In der Station Jungfernstieg stand das Wasser teils knöchelhoch, Fahrgäste wateten barfuß zur U-Bahn. An Unterführungen am Hauptbahnhof lief das Wasser "sturzbachartig herunter", sagte ein Feuerwehrmann. Etliche S- und U-Bahn-Züge fielen aus, der öffentliche Nahverkehr war bis in den Abend eingeschränkt oder kam - wie die U 2 zwischen Jungfernstieg und Messehallen - sogar bis in die Nacht zum Erliegen. Auch der S-Bahn-Verkehr war durch das Unwetter beeinträchtigt. Zwischen den Stationen Ohlsdorf und Poppenbüttel wurde die Strecke zeitweise komplett gesperrt, weil Bäume auf die Gleise gestürzt waren. Erst mehr als zweieinhalb Stunden später war die Strecke wieder geräumt. Am Flughafen Fuhlsbüttel durften während des Unwetters eine halbe Stunde lang keine Flugzeuge starten und landen.

Das Unwetter überraschte jedoch nicht nur Pendler im Berufsverkehr: An der Willy-Brandt-Straße drohte die Fassade eines Hauses einzustürzen, nachdem der Regen es unterspült hatte. Die Feuerwehr wurde auch ins Rathaus und in die Innenbehörde am Johanniswall gerufen, dort waren die Technikräume voller Wasser gelaufen. Noch schlimmer traf es einige große Einkaufszentren: In der Europa-Passage wurde Wasser ins das Untergeschoss gedrückt, das daraufhin von der Polizei geräumt werden musste. Viele Kunden bekamen nasse Füße. Bei Karstadt an der Mönckebergstraße drang Wasser in mindestens ein Stockwerk ein und fiel von der Decke. Auch an der Staatsoper, am Hotel Atlantic und am Alstertal-Einkaufszentrum ging das Unwetter nicht vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Ein Kunde wurde in der Europa-Passage von herabfallenden Deckenteilen verletzt - Hand gebrochen.

Entspannung ist nicht in Sicht. "Die Großwetterlage ändert sich in den kommenden Tagen nicht", sagte Meteorologe Frank Böttcher. Weitere Unwetter werden bis zum Wochenende über Norddeutschland erwartet.