Ein Kommentar von Joachim Mischke

Als Simone Youngs Vorgänger Ingo Metzmacher 2007 ausgerechnet am Tag der Deutschen Einheit mit dem Deutschen Symphonie Orchester Berlin ein Stück von Hans Pfitzner dirigieren wollte (die Kantate "Von deutscher Seele"), war die Aufregung groß. Unter anderem beim Zentralrat der Juden. Denn Pfitzner war Antisemit, er war in der NS-Zeit zum üblen Karrieristen gereift und hatte sich auch nach 1945 noch als unbelehrbarer Rechtsaußen-Spinner erwiesen. Genau deshalb war vor einigen Monaten die Bahrenfelder Pfitznerstraße in Friedensallee umbenannt worden.

Vor seinem Dirigat hatte Metzmacher, der schon in Hamburg keinen Bogen um lohnenden Streit und politische Horizonterweiterung machte, argumentiert: "Ich will ein Stück zur Debatte stellen. Man kann doch an so einem Tag nicht nur irgendeine festliche Musik spielen. Die Bereitschaft zur streitbaren Auseinandersetzung gehört für mich dazu." Egon Bahr brachte das Dilemma damals auf den Punkt: "Auch ein musikalisches Genie kann ein politischer Idiot sein."

Mit der Aufführung von "Palestrina", dem frühen Hauptwerk dieses politischen Idioten, hätte die Hamburgische Staatsoper im Vorfeld offensiver umgehen müssen. Kleine Einführungsvorträge wirken wie dramaturgische Erste-Hilfe-Pflaster. Von einem Opernhaus mit derart dramatisch bewegter Geschichte im Dritten Reich kann man mehr Reflexion verlangen als einige Sätze im Programmbuch.