Der 44-Jährige soll als Landeschef die nach dem Wahldebakel und dem Machtverlust demoralisierte Hamburger CDU zurück auf Erfolgskurs führen.

Hamburg. Wer mit Marcus Weinberg reden will, muss Zeit mitbringen. Der künftige Landesvorsitzende der CDU redet viel - und schnell. Kommunikation ist fraglos eine der Stärken des 44 Jahre alten Bundestagsabgeordneten. Auf Leute zugehen, um Vertrauen werben - das kann Weinberg.

Keine schlechte Expertise für die Aufgabe, die vor dem Mann aus Altona liegt: Weinberg muss eine nach dem Wahldebakel und dem Machtverlust demoralisierte, ja verstörte Partei wieder aufrichten. Er muss die unterschiedlichen Strömungen im Landesverband integrieren. Diejenigen, die die schwarz-grüne Schulreform mit zusammengebissenen Zähnen mitgetragen haben, sind heute - nach dem Scheitern der Reform wie der Koalition - erst recht der Ansicht, dass die CDU der GAL zu weit entgegengekommen ist. Manche halten Schwarz-Grün inzwischen sogar für einen Irrweg.

Weinbergs Achillesferse in diesem Prozess der parteiinternen Aussöhnung: Er zählte zu der Handvoll christdemokratischer Spitzenpolitiker, die Schwarz-Grün "gelebt" haben. Nach Ole von Beust war der Bildungspolitiker Weinberg der eifrigste Trommler für die "grüne" Primarschule. Für konservative Christdemokraten ist Weinberg nach wie vor ein rotes Tuch.

Andererseits: Die CDU-Basis, die den Geschichts- und Sozialkundelehrer in der ersten Mitgliederbefragung der Partei mit 36,2 Prozent auf Platz eins gehievt hat, wusste ja, wen sie wählte. Offensichtlich wollen die Mitglieder, dass "der dicke Weinberg", wie sich der Parteichef in spe spöttisch selbst nennt, den Karren aus dem Dreck zieht. "Trainer des VfL Osnabrück (gerade aus der Zweiten Bundesliga abgestiegen, die Red.) oder Landesvorsitzender der CDU zu sein - das ist gleich schwer", sagt der fußballbegeisterte St.-Pauli-Fan und -Dauerkartenbesitzer.

Weinberg profitiert von der Schwäche seiner innerparteilichen Gegner. Denn das Lager, das einen Parteichef Weinberg verhindern wollte, konnte sich nicht auf einen attraktiven Gegenkandidaten verständigen. Die vier Mitbewerber, die nach Weinberg ins Ziel kamen, erreichten zusammen einen Stimmenanteil von 60,8 Prozent - das Potenzial war da.

Trotzdem dürfte Weinbergs Führungsrolle jetzt unumstritten sein. Am Tag nach der Entscheidung war aus dem Kritikerlager zu hören, dass das Ergebnis nun akzeptiert werden müsse. Karin Prien, die mit 27 Prozent auf Platz zwei landete, hat sich gegen eine Stichwahl ausgesprochen. Prien war als frühzeitig bekennende Primarschulgegnerin die klarste Alternative.

Auch seine parteiinternen Kritiker zweifeln nicht daran, dass Marcus Weinberg ein fähiger Parteimanager sein wird. Die CDU-Basis hat einen Politprofi gekürt. Seit 2005 sitzt Weinberg im Bundestag, er ist seit 2007 Parteivize. Bemerkenswert ist, dass mit Weinberg und Bürgerschafts-Fraktionschef Dietrich Wersich nun zwei Weggefährten des liberalen Ole von Beust an der Spitze stehen.

Weinberg ist ein Nonkonformist. Dass er bisweilen mit einer Vespa 125 zu Parteiterminen kommt, fällt dabei eher in den Bereich Folklore. Für CDU-Verhältnisse immer noch ungewöhnlich ist, dass er mit seiner Freundin ohne Trauschein zusammenlebt. Beide sind seit acht Monaten Eltern - Emil Oskar heißt der gemeinsame Spross.

Weinberg liebt es, für Ideen zu streiten. Weil er gegen die Abschaffung der Wehrpflicht war, stimmte er der Bundeswehrreform im Bundestag nicht zu. Die starke inhaltliche Ausrichtung des künftigen Parteichefs kann der Landes-CDU, die auf diesem Feld immensen Nachholbedarf hat, nur guttun.

Dabei wird der meinungsfreudige Weinberg sicherlich noch das eine oder andere Mal bei Teilen der CDU anecken. Er habe ein vom CDU-Sozialausschüsse-Vorsitzenden Karl-Josef Laumann "geprägtes Arbeiterherz", sagt Weinberg. Da rümpfen feinere Christdemokraten in den Elbvororten und im Alstertal schon mal die Nase. Weinberg wird seine kommunikativen und integrativen Talente voll einsetzen müssen, um seinen Auftrag zu erfüllen.