Der Atomausstieg zwingt die Grünen, sich neu zu profilieren

Der Ausstieg aus der Kernkraft ist besiegelt - 31 Jahre nach ihrer offiziellen Gründung als Bundespartei sind die Grünen damit fast am Ziel ihrer Wünsche. Doch für die Vorreiter der Anti-Atom-Bewegung ist die Stunde ihres größten Triumphes zugleich eine ihrer Schicksalsstunden. Denn ähnlich einem Vater, der seine Kinder gerade in die weite Welt entlassen hat, droht der Partei nun eine Midlife-Crisis - die quälende Frage nach dem nächsten Lebensziel.

Diese Sinnsuche wird erschwert durch die Tatsache, dass Ökologie und Pazifismus längst keine rein grünen Markenzeichen mehr sind. Und streng genommen ist auch der aktuelle Atomausstieg zwar von Rot-Grün vorbereitet, aber von Schwarz-Gelb endgültig realisiert worden. Sicher, es bleiben den Grünen zahlreiche energiepolitische Baustellen wie die Endlagerfrage. Doch ist kein Thema in Sicht, das bundesweit derart stark polarisiert wie die Nutzung der Atomkraft - die in Baden-Württemberg dazu beigetrage hat, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Im Ländle muss die Partei nun zweierlei zeigen: ob sie eine Regierung führen kann. Und ob es ihr gelingt, nach dem Atom-Ausstieg ein neues Alleinstellungsmerkmal zu finden. Scheitert sie mit dem Ersten, ist sie für die Mehrheit nicht mehr wählbar. Missglückt ihr das Zweite, verliert sie in den Augen ihrer Anhänger die Existenzberechtigung.