Bollerwagen-Touren seien ein “aussterbendes Ritual“, sagen Trendforscher. An Christi Himmelfahrt geht es wieder vermehrt um die Familie.

Hamburg. Es ist der Tag des Jahres, an dem die Väter gefeiert werden sollen - und insbesondere die Nicht-Väter feiern. Auch an diesem Donnerstag wird wieder manche Bollerwagen-Karawane an der Elbe entlangziehen und Männer werden auf sogenannten Bierbikes - fünf dieser rollenden Kneipen sind in Hamburg im Verleih - Schlager singend die Außenalster umradeln.

Dabei haben diese Interpretationen einer "Herrenpartie", die aus den USA nach Deutschland geschwappt sein soll, wenig mit dem christlichen Gedanken des Tages zu tun: Christi Himmelfahrt, der 40. Tag nach Ostern und volkstümlich mittlerweile auch fest als Vatertag verankert, erinnert an den auferstandenen Jesus, der zu Gott, seinem Vater, zurückgekehrt ist. Die ursprüngliche Idee: Väter sollen bewusst Zeit mit ihrem Nachwuchs verbringen, ihm die volle Aufmerksamkeit schenken.

Und genau dies tun offenbar viele Väter in Hamburg. Sternekoch Ali Güngörmüs beispielsweise öffnet sein Spitzenrestaurant Le Canard Nouveau an der Elbchaussee an diesem Donnerstag nur abends. "Der Tag ist für die Familie reserviert", sagt der Vater des knapp zweijährigen Marlon. Nach einem "ausgiebigen Frühstück" daheim in Nienstedten will er einige schöne Stunden mit seinem kleinen Sohn verbringen. "Und am Nachmittag, wenn er Mittagschlaf halten muss, werde ich ihn endlich mal ins Bett bringen können."

Auch für Freddy Mouchawrab, Inhaber des Concept Stores Etage Eins im Stilwerk, ist dieser Donnerstag ein "Vater-Sohn-Tag": Als sein mittlerweile siebenjähriger Sohn Julius noch ganz klein gewesen sei, habe er als Vater diesen Ehrentag sehr ernst genommen. Heute sei es genau umgekehrt: "Julius freut sich riesig auf den gemeinsamen Tag mit mir. Wir fahren in unser Ferienhaus an die Nordsee und hacken dort im Garten gemeinsam Holz. Diese Männerarbeit macht ihn immer ganz stolz."

Dass sich der Vatertag in den vergangenen Jahren von einem "Männertag" wieder hin zu einem "Familientag" entwickelt hat, bestätigt Professor Peter Wippermann, Gründer und Gesellschafter des Trendbüros Hamburg: "In vielen Familien ist dieser Tag ein von Vätern und Kindern gemeinsam gelebter Urlaubstag." Durch den Freitag, der sich als Brückentag eigne, werde daraus oft sogar ein "Mini-Urlaub für die ganze Familie". So wie für Peter Birke und seine Familie. Die Bayern sind nach Hamburg gereist, um ein verlängertes Wochenende an der Elbe zu verbringen - und um dem Vatertagstrubel zu entfliehen. "Bei uns ziehen vor allem Jugendliche mit Bollerwagen, die mit Bier beladen sind, durch die Gegend."

Das sei in der Großstadt eher ein "aussterbendes Ritual", sagt Wippermann. Die Rolle der Väter habe sich stark gewandelt, viele wollten sich aktiv in die Erziehung des Nachwuchses einbringen. "Insofern nutzen sie auch einen solchen Tag, um ihn mit den Kindern zu verbringen."

Wie Sören Sieg, Sänger der erfolgreichen A-cappella-Comedy-Gruppe LaLeLu und Autor ("Come in and burn out"). Als dreifacher Vater hat er genaue Vorstellungen davon, wie er diesen Donnerstag verbringt: "Mit dem Kleinen werde ich Tischtennis spielen, meiner Tochter aus dem neuen Buch von Jo Nesbö vorlesen und mir vom Großen die neuen Gangsta-Rap-Clips zeigen lassen." Und wahrscheinlich werde er "die ganze Zeit vergeblich darauf warten, dass sie mir etwas schenken".

Geschenke seien am Vatertag eher die Ausnahme, bestätigt Peter Wippermann: "Im Gegensatz zum Muttertag, an dem Blumen verschenkt werden und vielleicht die Begrüßung der Mutter morgens besonders herzlich ausfällt, hat es der Vatertag nie geschafft, eigene Rituale zu entwickeln." Vielleicht werde das noch was in den nächsten Jahren.