Der britische Botschafter in Berlin erklärt historische und nationale Verbindungen zwischen beiden Völkern und verweist auf die Anteilnahme der Welt

Als britischer Botschafter in Deutschland spreche ich immer gern über die 100 Milliarden Euro unseres bilateralen Handels, die 100 Milliarden Euro deutscher Investitionen in Großbritannien (unter anderem in die Produktion des Mini) oder die 50 Milliarden Euro britischer Investitionen hier in Deutschland, die 200 000 Arbeitsplätze sichern. In den letzten Monaten allerdings haben meine Kommentare zur Wirtschaft und meine Fragen zur Politik eher eine Nebenrolle gespielt: Deutschland will mit mir lieber über die königliche Hochzeit reden.

Ich verstehe ja, warum die Briten den Festlichkeiten entgegenfiebern. Schließlich heiratet der Mann, der an Nummer zwei in unserer Thronfolge steht. Es ist übrigens erst das dritte Mal in über hundert Jahren, dass ein direkter Thronfolger heiratet. Die Hochzeit von Prinzessin Elizabeth und Prinz Philip im Jahr 1947 war ein Lichtblick bei all den Entbehrungen der Nachkriegszeit. Und bei der Hochzeit von Prinz Charles 1981 durfte die Weltöffentlichkeit Lady Diana kennenlernen.

Aber wie lässt sich erklären, dass vier deutsche Fernsehkanäle die Hochzeit von Prinz William und Catherine Middleton live übertragen werden? Warum ist das Interesse in Deutschland so groß? Zunächst einmal: Nicht jeder in Deutschland interessiert sich dafür. Ich habe letzte Woche eine Umfrage gesehen, wonach nur jeder fünfte Deutsche sich die Feierlichkeiten live im Fernsehen anschauen will - meine Freunde sagen mir allerdings, dass man den Umfragen nicht unbedingt trauen kann, vor allem dann nicht, wenn die Befragten zugeben müssten, dass sie sich während der Arbeitszeit eine kleine Pause vor dem Fernseher gönnen!

Ich habe drei Erklärungen anzubieten, warum viele Deutsche einschalten werden - es sind aber eher persönliche Vermutungen, da ich erst seit sechs Monaten in Deutschland bin.

Erstens bestehen sehr enge historische Verbindungen zwischen der britischen Königsfamilie und deutschen Fürstenhäusern. Im Jahr 1700 starb der Erbe des englischen und schottischen Throns, und das Parlament entschied, dass eine deutsche Prinzessin, die von König Jakob I. abstammte - nämlich Kurfürstin Sophia von Hannover - die Nachfolge der letzten Stuart-Königin antreten sollte. Sophia starb jedoch zwei Monate vor ihr, und so wurde ihr Sohn Georg im Jahr 1714 King George I. von Großbritannien. In den folgenden 200 Jahren heirateten alle britischen Könige und Königinnen mit einer einzigen Ausnahme Prinzessinnen oder Prinzen aus deutschen Fürstenhäusern. Zweitens ist Deutschland zwar eine selbstbewusste Republik, aber es hat auch eine ureigene monarchische Tradition. Das Land ist übersät mit imposanten Bauwerken früherer königlicher Dynastien. Eine stolze moderne Tradition verbindet sich hier mit der Erinnerung an vergangene Zeiten. Vielleicht hat das deutsche Interesse also auch ein wenig mit Nostalgie zu tun.

Und drittens steht Deutschland mit diesem Interesse ja nicht allein da. Überall auf der Welt werden Zeitungsbeilagen vorbereitet, Fernsehkorrespondenten aus aller Herren Länder werden nach London geschickt. Am Tag selbst rechnen wir mit über zwei Milliarden Zuschauern weltweit. Die Königin und ihre Familie verkörpern mehr als 1000 Jahre unserer Geschichte. The King's Speech hat in diesem Jahr nicht nur die menschliche Seite der königlichen Familie vor Augen geführt, sondern auch die Wirkung, die sie nach wie vor in Großbritannien und anderen Ländern ausübt. Wer den Film gesehen hat, möchte vielleicht gerne noch mehr Persönliches aus diesem berühmten und immer im Rampenlicht stehenden Königshaus erfahren.

Wie alle Menschen, sind die Deutschen gerührt von persönlichen Schicksalen. Hier geben sich zwei gut aussehende junge Leute, die sich von Herzen lieben und große Hoffnungen auf eine strahlende, pflichterfüllte Zukunft setzen, vor den Augen der ganzen Welt das Jawort. Jeder wünscht doch für sich und seine Kinder den perfekten Partner fürs Leben. Und jeder freut sich, wenn er glückliche Menschen sieht. Dass dieses Jawort inmitten von Pferdekutschen, Diamanten und Designerkleidern gegeben wird und Hunderttausende von Menschen die Strecke vom Buckingham-Palast bis zur Westminster-Abtei säumen werden, heißt nur, dass diese Hochzeit so prachtvoll gefeiert wird, wie es eigentlich jede Hochzeit verdient - nur dass sich das sonst niemand leisten kann.

Das sind also die historischen, nationalen und persönlichen Gründe, aus denen ich die Begeisterung der Deutschen nachvollziehen kann.