Olaf Kortmann, 55, Ex-Volleyball- Bundestrainer, jetzt Unternehmensberater und Mentalcoach aus Hamburg

1. Hamburger Abendblatt:

Trotz sechs Punkten Rückstand auf den fünften Platz, der noch für die Europa League berechtigt, hat der HSV zumindest die theoretische Chance, sich für das internationale Geschäft zu qualifizieren. Warum gibt er sich dennoch schon auf?

Olaf Kortmann:

Solange es eine minimale Hoffnung gibt, sich noch zu qualifizieren, sollten alle Verantwortlichen den Glauben an diese Chance gegenüber der Mannschaft und der Öffentlichkeit aufrechterhalten. Das Argument könnte gerade die Wechselhaftigkeit des HSV sein, der ja in dieser Saison auch sehr gute Spiele gemacht hat. Dies geht allerdings nur, wenn alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen - intern wie extern. Wenn einer aufgibt, entwertet er zugleich die Hoffnungen des anderen als reine Durchhalteparolen.

2. Ist es richtig, dass der neue Cheftrainer Michael Oenning die Mannschaft nach einer solchen Pleite wie dem 0:3 in Stuttgart mit zwei freien Tagen belohnt?

Kortmann:

Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut eines Trainers. Oenning ist angetreten, um mit dem Spaßfaktor Erfolg zu haben. Dann plötzlich in den Strafmodus zu wechseln ist schwierig. Sein Problem ist allerdings, dass er als ehemaliger Co-Trainer weiter als Teil des Systems Armin Veh gesehen wird. Und der ist als Cheftrainer gescheitert.

3. Macht es Sinn, jetzt zu Motivationstricks zu greifen?

Kortmann:

Die Maßnahmen eines Christoph Daum, der einst über Scherben laufen ließ, halte ich für Hokuspokus. Entscheidend ist eine seriöse und kompetente Spielvorbereitung in Training und Taktik. Hier sind unter Veh leider große Fehler gemacht worden. Vor der Rückrunde etwa noch Kondition zu bolzen bringt nichts.

4. Kann man Willensstärke überhaupt schulen?

Kortmann:

Natürlich lässt sich das trainieren. Etwa in einem Willenstraining, wenn ein Spieler, der bereits total kaputt ist, über seine Grenze hinausgehen muss. So etwas geht nur individuell. Manche Spieler sind Sensibelchen, andere sehr stark. Eine öffentliche Abrechnung mit der Mannschaft ist unsinnig. Kollektives Einschlagen auf das Team spricht nur für Hilflosigkeit.

5. Angenommen, der HSV hätte ab dem kommenden Spieltag gar keine Chance mehr auf das internationale Geschäft. Wie kann ein Trainer verhindern, dass das Team die letzten beiden Spiele abschenkt?

Kortmann:

Ein Weg könnte sein, über individuelle Motive zu gehen oder an kollektive Werte zu appellieren. Jedem Spieler deutlich zu machen, dass er sich Hamburg noch einmal positiv präsentieren kann. Das ist durchaus zielführend. Von dem Vorurteil, dass die Spieler doch nur Legionäre seien, halte ich gar nichts. Das ist reiner Populismus. Fast alle Spieler wollen, aber können es oft einfach nicht besser, weil sie nicht genügend vorbereitet werden.