Die Sterneköche Karlheinz Hauser, Thomas Martin und Christoph Rüffer sprechen über Stress am Herd, süße Sünden und die Zukunft für Gourmets.

Blankenese. Auch beim neunten Großen Gourmet-Preis in Hamburg sind die männlichen Sterneköche wieder unter sich: Karlheinz Hauser (Seven Seas, Süllbergterrassen), Thomas Martin (Jacobs Restaurant) und Haerlin-Chef Christoph Rüffer. Das Abendblatt sprach mit ihnen über Frauen in der Gastronomie, Alkohol in der Küche und kleine Laster.

Hamburger Abendblatt:

Warum sind fast alle großen Köche weltweit Männer?

Karlheinz Hauser:

Weil Frauen irgendwann Kinder bekommen. Natürlich ist das nicht immer so, aber wenn man sich tatsächlich für Kinder entscheidet, dann unterbricht das die Karriere. Wichtig und entscheidend für eine Karriere sind die folgenden fünf bis acht Jahre nach der Lehre, um an die Spitze zu kommen. Mit Familie lässt sich eine Sechs-Tage-Woche natürlich nur schwer vereinen.

Thomas Martin:

Ich freue mich immer, wenn Frauen dabei sind. Im Jacobs Restaurant arbeiten einige Frauen, und zwar nicht nur in der Patisserie. Frauen sind um einiges filigraner und belastbarer als Männer. Aber es sind wirklich eher wenige in unserem Beruf. Das ist auch schon so in der Ausbildung: In meinem Jahrgang waren 28 Jungs und zwei Mädchen, später sieht es in den Restaurants ähnlich aus.

Ist die Gastronomie also eine der letzten "Macho-Ecken"?

Martin:

Also, bei mir nicht. Wie ist es bei dir, Karlheinz?

Hauser:

Na ja, Koch ist schon ein harter Job, bei dem man auch schwere Dinge durch die Küche tragen muss. Aber Frauen sind ja grundsätzlich härter im Nehmen als Männer - und geduldiger.

Martin:

Als letztes Ressort für Machos würde ich unseren Beruf nicht bezeichnen, denn das Kochen hat nichts mit dem Geschlecht, sondern einfach mit guter Küche zu tun. Aber im Allgemeinen arbeiten Frauen sauberer und lassen sich nicht so schnell stressen.

Ein gutes Stichwort. Was mussten Sie in ihrer Ausbildung an Wutausbrüchen Ihres Chefs erleiden, und wie reagieren Sie heute unter Stress?

Martin:

Die Zeit der Wutanfälle ist lange vorbei. Die Auszubildenden kommen für ein bis zwei Jahre zu uns, wollen etwas lernen und leisten ja auch eine Menge. Da wäre es völlig unproduktiv, wenn wir sie jeden Abend anbrüllen.

Hauser:

Früher gab es keine Grenzen, was Arbeitsstunden, Druck und Stress betrifft. Da wurde schon viel herumgegrölt. Das hat aber auch etwas mit dem Alter zu tun. Ich erinnere mich, wie vor vielen Jahren ein Spüler einen Teller herunterschmiss und ich ihn dafür zusammengefaltet habe. Das ist natürlich weder effektiv noch für die eigene Gesundheit gut. Wenn keiner herumbrüllt, es ruhig und konzentriert zugeht, gibt es auch bessere Leistungen.

Christoph Rüffer:

Ich kenne noch ein, zwei Jüngere, die sind immer noch so drauf. In der Ausbildung ist bei mir alles sehr human abgelaufen. Aber während meiner Lehr- und Wanderjahre habe ich mal erlebt, wie ein Kollege am Halstuch über den Pass gezogen wurde. Da war ich schon ein bisschen geschockt. Ich habe es immer so gehalten: Dort, wo es mir zu unmenschlich wurde, bin ich nicht lange geblieben.

Wie sieht's denn umgekehrt aus: Ist ein Glas Wein in der Küche erlaubt?

Martin:

Während des Service ist Alkohol verboten, aber zum Feierabend trinken wir gern mal ein Glas zusammen.

Hauser:

Nach dem Service, wenn alles gut gelaufen ist, gibt's schon mal ein Bier oder bei großen Veranstaltungen ein Glas Champagner.

Rüffer:

Im Haerlin stoßen Küche und Service manchmal zum Abschluss einer guten Woche zusammen an. Und dann haben wir jetzt auch schon zweimal ein Gläschen vor dem Service getrunken ...

Martin und Hauser:

Ach was!

Rüffer:

Wir probieren eben immer gern etwas Neues aus. Im Vergleich zu früher hat der Alkoholkonsum in der Gastronomie deutlich abgenommen.

Martin:

Das hängt auch damit zusammen, dass wir viel präsenter im Restaurant sind. Da kann ich ja nicht am Abend herumlaufen und lallen. Aber Köche sind wie viele andere Menschen auch gesundheitsbewusster geworden.

Hauser:

Ja, das stimmt. Man treibt etwas Sport, hält sich fit, um den Stress abzubauen.

Bei allem Gesundheitsbewusstsein - die Zigarette gehört für die meisten dazu ...

Hauser:

In der Gastronomie wurde immer schon gerne geraucht. Es ist nicht so, dass Zigaretten den Geschmackssinn verschlechtern. Geschmack hat man oder man hat ihn nicht. Ich habe eineinhalb Jahre nicht geraucht und keinen Unterschied gemerkt.

Martin:

Dem stimme ich zu, allerdings rauche ich auch kaum während der Arbeit, eher danach zur Entspannung.

Sie gehen bestimmt häufig bei Kollegen essen, probieren in der eigenen Küche - müssen Sie sehr auf Ihre Figur achten?

Martin:

Bei mir ist es ein täglicher Kampf, ich verzichte zum Beispiel auf Pralinen, esse kein Croissant zwischendurch, sondern lieber eine Schale Obstsalat. Wenn ich an früher denke: Da haben wir beim Tranchieren die Kanten gegessen und in die Saucen getunkt - das kann ich mir nicht mehr erlauben.

Hauser:

Bis 30 habe ich meine 60 Kilo gehalten, jetzt wiege ich 85 Kilo. Früher habe ich nachts noch ein Dessert gegessen, das kann ich jetzt nicht mehr.

Rüffer:

Sport gehört auf jeden Fall dazu. Ich habe ja nur abends Service, kann daher dreimal pro Woche Rad fahren, laufen oder schwimmen.

Martin:

Du neigst aber auch nicht dazu zuzunehmen ...

Rüffer:

Ich bin Nichtraucher, habe aber ein anderes Laster: Abends haue ich mir tafelweise Schokolade rein.

Sieht man Ihnen kaum an ...

Hauser:

Kinderschokolade esse ich auch gern.

Spitzenköche zu Hause am Herd - bleibt die Küche dann kalt?

Martin:

Wir sind häufig unterwegs, kochen aber auch gern mal. Dann muss es unkompliziert sein: Gemüse, Reis, Kräuter, am besten alles in einem Topf.

Hauser:

Also, ich koche schon oft zu Hause, auch gern für Gäste. Meine Frau bekocht die Kinder, da gibt es dann eher einfache Sachen. Meine Kinder müssen keinen Lachs oder Kaviar essen.

Rüffer:

Ich koche natürlich für meine Töchter, zum Beispiel Pfannkuchen. Für die Mädchen mit Apfelmus, für mich mit Mettwurst - da lachen meine Köche immer, aber ich find's lecker.

Klingt nach regionaler Spezialität. Wie ist es um die Hamburger Küche bestellt?

Martin:

Ich koche sehr viel regionale Küche, interpretiere klassische norddeutsche Küche gern neu, etwa Scholle Finkenwerder, Birnen, Bohnen und Speck oder Hamburger Pannfisch, aber eben auf die leichte, feine Art.

Essen wie Gott in Hamburg also?

Martin:

Die norddeutsche Küche muss sich auf jeden Fall nicht verstecken. Man muss sie nur etwas überarbeiten.

Christian Rach schließt demnächst sein Tafelhaus, Cornelia Poletto hat ihr Sterne-Restaurant bereits aufgegeben - was bedeutet das für Hamburg?

Rüffer:

Ich finde es schade für Hamburg wegen der Bandbreite. Mit Christian Rach hatten wir einen sehr kreativen Koch, mit Cornelia Poletto eine Köchin in Richtung Italien. Ich denke, dass sich Sterneküche aber weiterhin lohnt, wenn man sich nicht an alte Wurzeln klammert. Man kann heute nicht mehr wie vor zehn Jahren kochen. Es gibt inzwischen richtige Gourmet-Touristen, die schon vieles probiert haben.

Martin:

Sterneköche sind wie die Formel 1. Der Großteil von uns ist Vorreiter für das, was kommt, ist immer einen Schritt weiter als die breite Masse, etwa ein Ferran Adrià aus Spanien. Sternerestaurants haben die Aufgabe, den Weg zu bereiten, sich an neue, herausfordernde Kreationen heranzuwagen.

Hauser:

Stimmt, Gourmetrestaurants sind auch immer Entwicklungsstätten, an denen mit herausragenden Produkten experimentiert und versucht wird, dem Gast das Nonplusultra zu bieten.

Unter den gerade veröffentlichten Top-Ten-Restaurants weltweit ist nur ein einziges aus Frankreich. Ist die französische Küche schlechter als ihr Ruf?

Martin:

Ich habe bei französischen Köchen gelernt, halte diese Küche sehr hoch. Aber andere Länder haben eben auch aufgeschlossen ...

Hauser:

... etwa Spanien oder Italien, auch deutsche Köche können sich international sehen lassen, und neuerdings ist die skandinavische Küche groß im Kommen, wie das "Noma" in Kopenhagen beweist. Deshalb lege ich im Seven Seas Wert auf internationale Küche. Aber im Umgang mit Produkten bleiben die Franzosen einfach einsame Spitze.