Qype-Gründer Stephan Uhrenbacher setzt mit seiner neuen Plattform 9flats.com auf das Teilen von Wohnraum. Die Konkurrenz ist groß.

Hamburg. Mein Haus, mein Auto, meine Yacht - das war gestern. Unser Haus, unser Auto, unsere Yacht wird es morgen heißen. Die Grenzen zwischen "mein" und "dein" verwischen. Der Megatrend heißt teilen, neudeutsch: sharing. BMW und Daimler tüfteln an Vertriebsmodellen, bei denen sich die Kunden Autos leihen statt sie zu kaufen, den Familienvan für den Alltag, das Cabrio für die Tour am Wochenende. Beim Cloud Computing greifen viele Nutzer auf eine gemeinsame IT-Infrastruktur zu. Auf Facebook teilen Millionen ihre Freunde, ihr gesamtes Leben.

Der Trend zum Tauschen, Teilen und Verleihen erfasst auch immer stärker den materiell meist kostbarsten Besitz der Menschen, ihre Immobilien. Der Hamburger Gründer des Internetportals Qype, Stephan Uhrenbacher, setzt jetzt ebenfalls auf diesen Trend. Uhrenbacher ist in der Tausch-Community kein Unbekannter, bei Qype teilen die Leute ihre Erfahrungen, sie bewerten Restaurants, Läden, Friseure oder Autowerkstätten. Mit seiner neuen Internetplattform 9flats.com will der 42-Jährige nun Menschen auf der ganzen Welt animieren, ihren Wohnraum zu teilen. "Dahinter steht der Gedanke, existierende Ressourcen besser zu nutzen", sagt Uhrenbacher und nennt Beispiele: Ein Berliner arbeitet in Rostock und vermietet seine Wohnung in Kreuzberg in der Woche an Feriengäste. Ein Architekt ist es leid, bei Projekten im Ausland in Hotels zu schlafen und mietet sich in Barcelona eine Wohnung, in der er auch selber kochen kann.

Uhrenbacher ist Vater von zwei Kindern und sieht nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Familien als Zielgruppe seiner Idee: "Mit den Kindern in einem einzigen Hotelzimmer wecken wir uns ständig auf, da ist eine geräumige Wohnung im Urlaub doch viel praktischer und oft auch günstiger."

Uhrenbacher setzt mit seinem Start-up auf einen Markt, der von Gratisübernachtungen auf der Couch bis zum temporären Tausch von kompletten Häusern bereits eine Menge unkonventioneller Angebote für das Wohnen auf Zeit bietet. Die Internetseite airbnb aus den USA ist Pionier der Szene. Air (englisch: Luft) steht dabei für Luftmatratze und erinnert an die Gründertage des Portals, das anfangs vor allem junge Weltreisende auf der Suche nach einem supergünstigen Schlafplatz begeisterte. Haustauschferien.com dagegen richtet sich an Urlauber, die sich gratis bei Haustauschpartnern etwa am Mittelmeer einquartieren und im Gegenzug ihre Wohnung zu Hause anbieten.

Die Idee Uhrenbachers bei 9flats.com ist es, Touristen und Geschäftsreisenden Privatwohnungen zu vermitteln - über eine Internetplattform, die im Prinzip wie Ebay funktioniert. Die Nutzer stellen die Wohnung samt Fotos und Beschreibung ein, die Interessenten können die Objekte nach Kriterien wie Städte, Preise oder Wohnungsgröße suchen. Die Qualitätskontrolle übernimmt die Community selber, durch Bewertungen der Wohnungen, die dadurch in eine Reihenfolge gebracht werden.

Die beliebtesten Wohnungen in Hamburg, Barcelona oder London wandern nach oben auf der Seite, Ladenhüter landen auf den hinteren Plätzen. Bisher bietet Uhrenbacher auf seiner Seite 5000 Wohnungen in 18 Ländern an, in sechs Sprachen. Sein Unternehmen mit bisher 25 Mitarbeitern in Hamburg, Berlin und Valencia, soll sich über eine Provision von 15 Prozent finanzieren. Die Preise reichen von fünf Euro am Tag für ein Baumhaus in den Kasseler Bergen über ein Sofa in Ottensen für 28 Euro bis zu 1400 Euro für die hoffentlich gruselfreie Nacht in einem englischen Schloss.

Für die Startfinanzierung hat Uhrenbacher die Otto-Tochter eVenture Capital ins Boot holen können und peilt für das kommende Jahr an, 100 000 Übernachtungen vornehmlich in Europa zu vermitteln. Die Wachstumsprognose ist angesichts der Konkurrenz von zahlreichen meist lokalen Anbietern ehrgeizig, allerdings ist das Wohnen auf Zeit auch eines der ganz großen Trendthemen. Während Appartements in Städten laut dem Branchenverband Dehoga derzeit zu 80 Prozent ausgelastet sind, schafften es Hotels meist nur auf Werte um die 60 Prozent.

Birgit Gebhardt, Geschäftsführerin des Hamburger Trendbüros, überrascht diese Entwicklung nicht: "Viele Leute wollen auf Reisen lieber mitten im Kiez wohnen als im Hotel die Stadt wie hinter Glas zu erleben." Der Hang zum Voyeurismus, zum Eindringen in fremde Lebensgewohnheiten werde in den Privatwohnungen besser befriedigt, und am Erfolg vergleichbarer Portale in den USA zeige sich das Potenzial der Anbieter auch in Deutschland. Dabei hänge die Vermietbarkeit einer Wohnung natürlich sehr stark von der Attraktivität ihrer Lage für die urbanen Nomaden ab. Gebhardt: "Eine Wohnung im angesagten Berlin-Mitte kann inzwischen Preise erzielen wie ein riesiges Haus in Los Angeles."