Wie Kleist seine Braut orthografisch belehrte. Von einem Pedanten der Liebeserziehung und dem Versuch einer Ehrenrettung

In diesem Jahr feiern wir Heinrich von Kleists 200. Todestag. Was heißt, wir feiern? Wir vergewissern uns eines Novellisten, Erzählers und Dramatikers, dem, wie er seiner Schwester Ulrike schrieb, "auf Erden nicht zu helfen war" und der sich deshalb zusammen mit einer Todesgefährtin ins Jenseits begab, einer krebskranken Frau, die er auf ihren Wunsch zuerst erschoss, sich danach am Wannsee eine Kugel in den Mund jagte.

Er war ein unglückseliger Mensch, der jedoch, so ist es überliefert, mit Henriette Vogel in den Tod tanzte und alberte, wie übermütige Kinder tollten die beiden zu einer Sandkuhle an den See, wo man bald darauf zwei Schüsse hörte.

Zu Lebzeiten wurde er verkannt; nie hat er ein Stück von sich auf der Bühne gesehen, auch nicht den von Goethe wohlmeinend verschandelten "Zerbrochenen Krug", der - wie alles bei Kleist - von der adamitischen Konstitution des Menschen handelt. Sein "Prinz von Homburg" ist ein Hamlet, der in Todesfurcht zittert und barmt und doch ein großer Träumer und Kriegsheld ist. Sein "Kohlhaas" - ein juristischer Querulant von dämonischer Gerechtigkeitswut. Seine "Penthesilea" - eine Amazone, die ihren Achill zerfleischt, vor Liebe: Küsse reimen sich bei Kleist auf Bisse.

In großen Schüben entdecken wir den hellsichtigen, dunklen, romantischen Preußen wieder. Als Ausbund seines misogynen, sprich frauenfeindlichen Wesens: Er erzieht brieflich streng seine Braut (die er logischerweise nicht heiratete und sie nicht ihn), gibt ihr krassen Unterricht in Literatur und deutscher Sprache.

Vielen gelten die Briefe an die Braut als furchterregend abschreckend. Er ist ein Pedant der Liebeserziehung, und ich habe bei Günter Blamberger (Kleist-Biografie bei S. Fischer) eine versuchte Ehrenrettung seiner Brautbriefe gelesen. Dabei einen wieder gelesen, den er ihr schreibt und wo er ihr einige "Erwiederungen" zukommen lässt. "Erwiederung" mit "ie"! Er will, dass sie den einfachen Satz "Ich liebe dich" niederschreibt. Damit die beiden diesen Satz dann nie widerholen müssen. "Widerholen" nur mit "i"! Erwiederung mit ie, welch querulantische Orthografie.

Aber hierfür gibt es einen lächerlich einfachen Grund: Konrad Dudens Rechtschreibung war noch nicht festgeschrieben. Das geschah erst 90 Jahre später, 1901. Bis dahin durfte auch ein so großer Sprachschöpfer wie Kleist "Wiederstand" leisten und ein "Widerholungstäter" sein.