Bei der Wahl von zwei Wegen, sagte Aristoteles , wählt den der Natur. Damit meinte er wohl Aromen

"Um es gleich mal klarzustellen", sagt Ingeborg Wäschenbach lächelnd, als sie die Tür zu ihrem duftenden Reich namens "Vegaroma", einem hübschen alten Haus im pittoresken Kakensdorf vor den Toren der Hansestadt, öffnet, "eine Heilerin bin ich schon mal gar nicht." Viel eher sei sie eine Geschäftsfrau, die mit einer ziemlich kostbaren Ware handelt, deren wohltuende und heilende Kräfte freilich schon seit 7000 Jahren bekannt sind, jedenfalls in China, wo Aromen nicht nur in der Küche seit jeher eine große Rolle spielen.

Kurzum: Die Aromaküche ist im Prinzip keine besonders neue Idee. Und während also die Chinesen zunächst ihren Wein mit Aromaölen konservierten, servierten die Ägypter ein paar Tausend Jahre später bereits einen Aperitif aus Kräutern, Gewürzen und Essenzen - den "ätherischen Ölen", die das "Wesentliche" von Pflanzen in flüssiger Form repräsentieren. In der Natur dienen die Pflanzenaromen dazu, Insekten oder andere Tiere anzulocken oder abzuwehren und sich vor Krankheiten zu schützen. "In der modernen Küche wiederum", sagt die Aromenmeisterin Ingeborg Wäschenbach, "lassen sich Aromen tröpfchenweise hervorragend dazu einsetzen, den Geschmack von Speisen entweder zu variieren oder hervorzuheben. Sie schärfen sozusagen die Sinne und sind damit ganz natürliche Muntermacher für die Seele."

Darüber hinaus werden die Essenzen, die sie zum Teil in Zusammenarbeit mit Primavera, einem großen deutschen Hersteller für ätherische Öle, entwickelt und als Lizenzpartnerin vertreibt, jedoch auch im Gesundheitswesen eingesetzt. "Ein Tropfen Capri-Essenz sowie eine Scheibe Zitrone auf einen Liter ganz normales Leitungswasser hat zum Beispiel den Effekt, dass alte Menschen plötzlich wieder mehr Wasser trinken, was ja bekanntlich sehr wichtig ist. Sie sagen, es würde ihnen irgendwie besser schmecken", erzählt Ingeborg Wäschenbach, zu deren Stammkunden auch ein großes Seniorenheim zählt.

Doch was gut riecht, was mundet und Speisen und Getränke häufig bekömmlicher macht, kann auch heilen. Aromatherapien findet man besonders im pflegerischen Bereich. Katja Zwakhoven, die als Krankenschwester in einer Neurologischen Rehaklinik vor allem Wachkoma- und Komaptienten betreut, behandelt Narben, Abszesse oder wundgelegene Patienten mit Mischungen aus natürlichen Ölen und Essenzen - häufig mit verblüffenden Ergebnissen: "Unter dem Narbengewebe einer 50 Jahre alten Patientin bildeteten sich immer wieder entzündliche Abzesse. Nach Absprache mit der Pflegebeauftragten behandelte ich die Patientin mit einer Mixtur aus Weizenkeimöl, Calendulaöl, Rose türkisch, Muskatellersalbei, Teebaum, Palmaros und Lavendel. Nach zwei Wochen waren die Entzüngen verschwunden, der Abzess praktisch abgeheilt."

Ulrike Ahlswe-Ehlers aus Essen, ebenfalls eine erfahrene Krankenschwester, weiß, dass die natürlichen ätherischen Öle jedoch nicht nur in der häuslichen- und Krankenpflege, bei Kindern oder auch bei Frauenbeschwerden zum Einsatz kommen, sondern auch in der Psychiatrie, bei Befindlichkeitsstörungen wie Stress und dem Burnout-Syndrom, und bei der Sterbebegleitung. "Auch wenn nichts mehr zu machen ist, kann man etwas tun", sagt die Stationsleiterin eines Hospiz. Sie hat in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass spezielle, auch ganz individuelle Duftmischungen helfen können, den Abschied vom Leben würdevoll und angstfreier zu gestalten. "Gerade im Hospiz oder auf Palliativstationen gilt der Grundsatz, nicht dem Leben mehr Tage zu geben, sondern die letzten Tage eines Menschen mit mehr Leben zu erfüllen."