Ein Kommentar von Armgard Seegers

Unglaublich! Der Bundestag plant ein Gesetz gegen Zwischenrufer. 1000 Euro Ordnungsgeld sollen Parlamentspöbler demnächst zahlen. Was ist nur aus der schönen Kultur des politischen Zwischenrufs geworden?

Haben die denn ganz vergessen, dass unsere besten rhetorischen Talente auch die intelligentesten Zwischenrufer waren? Der prominenteste Bundestagsstörer, SPD-Fraktionschef Herbert Wehner, hat einst nicht nur so reizvolle Namenskreationen wie "Übelkrähe" (für CDU-Mann Jürgen Wohlrabe) oder "Hodentöter" (für Minister Todenhöfer) erfunden, über Lothar Haase beklagte er sich: "Herr Präsident! Können Sie den Gnom der CDU nicht zurückweisen? Der Gartenzwerg ist los." Sein profiliertester Gegenspieler, Franz Josef Strauß (CSU), hielt Kanzler Helmut Schmidt, "reif für die Nervenheilanstalt". Den Kommunisten Heinz Renner unterbrach er mit: "Schnauze, Iwan!" Joschka Fischers "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch" ist legendär geworden. Müntefering warf Westerwelle einst "Windbeutel" an den Kopf. Müssen wir bald ganz auf Unterhaltung bei einer Bundestagsdebatte verzichten? Kein "Sie Karikatur" mehr oder "Sie sind Dick und Doof in einer Person" (Karsten Voigt zu Martin Bangemann)?

Es bleiben Zufallstreffer wie der schöne Moment, als Angela Merkel bei einer Ansprache Hessens Ex-Ministerpräsidenten loben wollte. "Lieber Roland Kotz", flötete sie. Freud grüßt.