Im Schauspielhaus diskutierten Jugendliche aus zwölf europäischen Ländern mit dem Altkanzler. Er übte Kritik an Außenminister Westerwelle

St. Georg. "Europa ist Zukunft" lautete das Motto. Und praktischerweise waren im Schauspielhaus ebenjene Menschen anwesend, die diese Zukunft ausmachen. Mehr als 800 Schüler saßen im Publikum, um die Diskussion zwischen Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) und Jugendlichen aus zwölf europäischen Ländern zu verfolgen. Moderiert wurde die Veranstaltung der Körber-Stiftung von der Fernsehjournalistin Sandra Maischberger.

Als "Frage-Profi" war sie begeistert von der Diskutierfreude der jungen Interviewer. "Das waren alles außerordentlich intelligente und engagierte junge Leute, die sich sehr gut vorgewagt haben mit ihren Fragen", sagte die Moderatorin.

Befragt wurde schließlich eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Republik. Der Altkanzler, dem häufig ein einnehmendes Charisma attestiert wird, spricht überlegt, formuliert auf den Punkt und ist bekannt für seinen subtilen Witz. Von der ersten Sekunde an war Helmut Schmidt präsent. "Er sagt, was er denkt, ohne schwülstig zu sein", sagte beispielsweise Fiona Fritz, die mit dem mittlerweile 92-Jährigen über Energiefragen diskutierte. Besonders seine Kommentare zur aktuellen Politik gefielen der Schülerin. Zum Beispiel, als Helmut Schmidt über die besondere Bedeutung der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sprach und Moderatorin Maischberger sagte: "Dann macht der aktuelle Außenminister ja alles richtig." Helmut Schmidt erwiderte: "Nee, der macht alles falsch."

Ein weiterer Schmidt-Moment: Sandra Maischberger fragte: "Sehen Sie den europäischen Gedanken denn bei unserer aktuellen Regierung?" Schweigen. Schmidt überlegte. "Ich zögere, Ihnen eine diplomatische Antwort zu geben", sagt er. Wieder Schweigen. "Aber wenn ich das beiseitelasse und mir die Freiheit eines 92-Jährigen nehme, würde ich sagen, dass ich das bei der aktuellen Regierung nicht erkennen kann."

Später, beim Thema Kernenergie, sprach Helmut Schmidt über "Risikoabwägung" und gab den Jugendlichen mit auf den Weg: "Nichts auf der Welt ist ohne Risiko", betonte er. "Nicht mal die Liebe." - "Ich wusste gar nicht, dass das eine Energieform ist", sagt Sandra Maischberger. "Und wie", konterte Schmidt.

Immer wieder brachten Sätze wie dieser das Publikum zum Lachen. Teilweise wurde sogar spontan applaudiert. In den ersten Publikumsreihen saßen viele Politiker, unter anderen Christa Goetsch (GAL), Herlind Gundelach (CDU) und die Vizepräsidentin der Hamburger Bürgerschaft, Eva Gümbel (GAL). Ihnen wehte von der Bühne her hin und wieder ein bisschen Rauch ins Gesicht. Denn natürlich verzichtete der Altkanzler und leidenschaftliche Raucher nicht auf seine Zigaretten. "Die Rauchmelder sind ausgeschaltet", scherzte Moderatorin Maischberger. Dennoch hielt sich Helmut Schmidt zunächst lange zurück. Ab 11.20 Uhr diskutierte er mit den Schülern, aber erst um 11.42 Uhr steckte er sich die erste Zigarette an. Insgesamt sechs Zigaretten rauchte Schmidt während des knapp einstündigen Gesprächs.

"Damit habe ich gewonnen", sagte Angelique Vandekerckhove, 25. Die Belgierin gehörte zu der Gruppe der jungen Europäer, die die Diskussion vorbereitet und geführt hatten. Die Jugendlichen hatten nämlich vor der Veranstaltung gewettet, wie viele Zigaretten der berühmte Gesprächspartner wohl rauchen würde. "Natürlich war die Wette nur ein Spaß."

Nach der Veranstaltung zog sich Helmut Schmidt sofort in einen kleinen Raum hinter der Bühne zurück und wünschte sich ein bisschen Ruhe. Angelique Vandekerckhove nutzte aber noch schnell die Gunst der Stunde und bat den Politiker um eine Unterschrift. Er unterzeichnete ihr Lehrbuch über die Europäische Union. Insgesamt acht Unterschriften hat sie nun schon von bedeutenden Europa-Politikern gesammelt. "Andere sammeln Autogramme von Musikern, ich eben von Politikern", sagte die Belgierin.

Und ein Star ist Helmut Schmidt schließlich auch - irgendwie.