Stur und bockbeinig ist er. Widerborstig von Beginn an. "Keine Angaben", grummelt Jan S. auf die Fragen nach Namen und Geburtstag, macht sich hastig Notizen und drückt immer wieder mit halblautem Protest sein Missfallen aus. So ist schon zum Prozessauftakt gegen ihn klar, dass dies keine harmonische Verhandlung werden wird. Doch den Eklat bei der Urteilsverkündung hat so wohl niemand erwartet: Der 43-Jährige, der sich vor dem Landgericht verantworten muss, weil er Polizisten mit einer angespitzten Eisenstange angegriffen hatte, randaliert. Springt auf, will aus dem Verhandlungssaal flüchten, rennt dabei gegen die Tür und verletzt sich an der Nase. Zwei Justizbedienstete stürzen sich auf den kräftig gebauten Mann, ringen ihn nieder, fixieren seine Arme. Jan S. keucht, er ist außer sich vor Wut. Es dauert etliche Minuten, bis der Mann sich wieder beruhigt, mühsam, zögerlich, es ist für ihn sichtbar schwer.

Anschaulicher hätte der Hamburger kaum demonstrieren können, dass er sich nicht in der Gewalt hat. Dass von ihm offenbar Gefahr ausgeht, so wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. 16 Monate sind seit dem Vorfall vergangen, um den es in der Verhandlung vor dem Landgericht geht; die Frage ist, ob Jan S. dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden muss. Der Mann mit dem Schnauzbart wird unter anderem der versuchten gefährlichen Körperverletzung beschuldigt. Weil er in seiner Niendorfer Wohnung randalierte, heißt es in der Antragsschrift, riefen Nachbarn die Polizei. Als er auf mehrmalige Ansprache nicht öffnete und verdächtiger Lärm und Schreie aus der Wohnung zu hören waren, traten die Beamten die Tür ein. Und sahen Jan S., der mit einer 1,20 Meter langen, angespitzten Eisenstange auf sie zustürmte, so die Staatsanwaltschaft.

Dem Polizeibeamten Peter G. ist bei seiner Zeugenaussage das Entsetzen über den Einsatz noch anzumerken. "Es hätte ein Kollege dabei draufgehen können." Und weiter sagt der 53-Jährige: "So eine Begegnung habe ich noch nicht gehabt, es war schlimm." Jan S. sei auf die Polizisten zugestürzt, "mit Urgeschrei, die Eisenstange hielt er wie ein Ritter seine Lanze." Der Zeuge erzählt, wie er mit einem Tritt gegen die Schulter den Angreifer aus dem Gleichgewicht bringen konnte. "Sonst hätte er meinen Kollegen aufgespießt." Der Kammervorsitzende des Landgerichts zeigt die Tatwaffe, eine etwa neun Kilo schwere, dicke Eisenstange, an deren Spitze wie bei einem bizarren Stillleben ein zerfetzter Schuh steckt. Doch wie dies passiert ist, bleibt ungeklärt.

Vielleicht hätte Jan S. diese Frage beantworten können. Doch der 43-Jährige beschränkt sich auf Unmutsbekundungen und Proteste. Er lege Beschwerde gegen "sämtliche Beschlüsse ein", hatte er zuvor bereits an das Gericht geschrieben. In einer Vernehmung sagte er, er "sehe nicht ein, warum ich hier bin", und bezeichnete den Polizeieinsatz als "peinliches Schauspiel". Die Polizisten hätten grundlos "mit einem Rammbock" seine Wohnungstür eingedrückt. Achtmal sei er bereits in einer geschlossenen Unterbringung gewesen. "Was Sie hier machen", echauffiert er sich, "ist verfassungswidrig. Ich werde den Staat verlassen. Es ist widerlich hier." Und die Eisenstange, betont er, wolle er zurückhaben.

Gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen war er noch weitergegangen. Er habe das Recht dazu, hatte Jan S. laut Gutachter in dem Gespräch gesagt, seine Wohnung zu schützen. Demnächst werde er sich "ein Schießeisen" besorgen und sich zur Not damit verteidigen. Es könne auch Tote geben. Der Gutacher kommt zum Ergebnis, der 43-Jährige leide seit Langem an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Der Hamburger sei eine Gefahr für die Allgemeinheit. Weitere schwere Taten seien zu erwarten, wenn er nicht wirksam behandelt werde.

Deshalb beschließt das Gericht am Ende die Unterbringung von Jan S. in einem psychiatrischen Krankenhaus. Ihm fehle krankheitsbedingt die Einsicht, dass er Straftaten begangen habe. "Lebenslang, lebenslang, lebenslang", ruft Jan S. da dazwischen, und aus seinem Mund hört es sich an wie die Widerworte eines bockigen Kindes. "Lebenslang", greift der Richter die Protestrufe auf, werde die Unterbringung nur dann dauern, "wenn sich Ihr Zustand nicht ändert. Wir wünschen Ihnen, dass Sie im Laufe der Behandlung zu der Einsicht kommen, dass Sie um ein Haar einen Menschen getötet hätten." "Ach Gottchen", entgegnet Jan S. da. Es klingt wie Hohn.