Niemand redet über die Linkspartei, da redet die Linkspartei wenigstens selbst über sich. Kehrt Oskar Lafontaine zurück an die Spitze? Wenn er zurückkehren sollte, wann und in welcher Funktion? Das sind die Fragen, mit denen sich die Linke beschäftigt, während der Rest des Landes über Libyen, Fukushima, die deutsche Energiewende und die Zukunft der Regierung Merkel diskutiert.

Wer die Linkspartei nach wie vor als die mühsam auf Demokratie geschminkte Nachfolgeorganisation der DDR-Unterdrückerpartei SED ansieht, wer ihre Forderungen für verantwortungslos und gefährlich hält, der kann sich über die Lafontaine-Diskussion nur freuen. Mit ihr bleibt die Linkspartei im politischen Abseits und verstrickt sich weiter in internen Anfeindungen und Machtkämpfen. Übernimmt Lafontaine sogar wirklich wieder eine Führungsrolle auf Bundesebene, dann ist das die Garantie dafür, dass die Linken auf absehbare Zeit Opposition bleiben und an Bedeutung verlieren. Denn Lafontaine macht als Person und von seiner inhaltlichen Linie her eine Koalition mit SPD und Grünen unmöglich.

Wer sich die Linkspartei als ganz normalen Bestandteil des deutschen Parteiensystems wünscht, wer Interessen und Meinungen aus dem linken Spektrum angemessen im Bundestag und womöglich auch in einer Bundesregierung repräsentiert sehen möchte, der kann nur auf ein Ende des Lafontaine-Spuks hoffen. Der muss darauf setzen, dass Lafontaine und bald auch sein alter Kopilot Gregor Gysi sich zurückziehen, dass die derzeitige doppelte Nulllösung Lötzsch/Ernst von der Parteispitze verschwindet und dass junge Reformer ans Ruder kommen.

Wie man eine aus verschiedenen Strömungen zusammengefügte Protestpartei zuerst zu Wahlerfolgen führt, um sie dann innerlich zu konsolidieren, regierungsfähig und schließlich zu einer etablierten Partei zu machen, das haben die Grünen in den letzten Jahrzehnten vorgeführt. Der Linkspartei ist nur der erste Teil gelungen: Identifikation über einen großen Wahlerfolg. Dazu hatte sie das geeignete Thema (Hartz IV) und die passenden Gegner (SPD, später Große Koalition). So holten die Linken vor zwei Jahren bei der Bundestagswahl 11,9 Prozent der Stimmen.

Doch seitdem ist ihr Anteil in den Meinungsumfragen unter zehn Prozent gesunken, er sinkt von Monat zu Monat weiter. Andere Themen mit größerer Dringlichkeit und höherem Empörungspotenzial haben Hartz IV an den Rand geschoben. Die Linkspartei hat diese Themen verpasst. Und sie hat mit ihrer Kommunismus-Debatte und anderen innerparteilichen Kinkerlitzchen die Wähler irritiert.

Die Quittung dafür bekam sie Ende März bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Da hatte sie in den Umfragen lange bei fünf Prozent, also vor dem Sprung in den Landtag, gelegen und sich als Hilfe beim Sturz der schwarz-gelben Landesregierung angeboten. Doch als dieser Sturz dann in greifbare Nähe rückte und das Atomthema die Wahlbeteiligung nach oben trieb - kurz: als es wirklich wichtig wurde -, da setzten die Wähler klar auf Rot-Grün und ließen die Linken draußen.

Bei der nächsten Bundestagswahl wird es vermutlich ebenfalls um das Ende oder das Überleben der schwarz-gelben Regierung gehen, auch das wird wirklich wichtig. Da wird eine Linkspartei, bei der die Wähler keine Koalitionsperspektive und keinen Willen zu verantwortungsvollem Mitgestalten erkennen, vermutlich wieder nicht gebraucht. Dann könnte jede Stimme für die Linkspartei sogar eine Stimme für Merkel sein, weil sie Rot-Grün fehlt. Merkel könnte mit der Furcht vor dem kommunistischen Gespenst das eigene Lager mobilisieren. Oder es könnte ihr gelingen, die Grünen doch als Koalitionspartner zu gewinnen.

Eine riesige Chance, sich als Partner von SPD und Grünen zu präsentieren, hat die Linkspartei bereits verpasst. Das war die Bundespräsidenten-Wahl vor einem Jahr, als die Linken es nicht über sich brachten, für den Stasi-Aufklärer Joachim Gauck zu stimmen. Gauck als Bundespräsident, damit wären die Linken zur wichtigen politischen Kraft geworden und hätten sich gleich noch des miefigen Geruchs der DDR-Nostalgie entledigt.

Nun steht die Partei erneut am Scheideweg: entweder weiter reiner Protest und innerparteilicher Zwist und damit sinkende Wahlergebnisse auf Bundesebene und in den Westländern. Oder Reform- und Regierungsbereitschaft. Das würde bedeuten, dass die klugen Realpolitiker aus den Ost-Bundesländern die Macht übernehmen. Und nicht mehr Lafontaine.