Jeder Schüler hat einen Studenten ganz allein für sich, der sich Zeit nimmt und ihm auf freundschaftlicher Basis hilft, seine Probleme zu lösen.

Hamburg. Sie ist 14 Jahre alt und fühlt sich oft allein. Die Eltern arbeiten, Geschwister hat sie keine. Wenn sie an ihre Zukunft denkt, daran, dass sie im kommenden Jahr die Schule beenden wird, hat Ann-Sophie Faber ein mulmiges Gefühl. Dann wünscht sie sich jemanden, der an ihrer Seite steht und sie ein Stück weit begleitet.

Gesa Kuhfal ist 20 Jahre alt. Sie studiert "Kultur der Metropole". Sie hat drei Geschwister, die alle weit weg wohnen. Manchmal fühlt sie sich allein. Dann wünscht sie sich jemanden, dem sie ihre Hilfe anbieten kann. Als Ratgeber und große Schwester. Sie waren beide auf der Suche. Gesa, die an der Hafencity-Universität studiert, ihren Master machen will. Und Ann-Sophie, Achtklässlerin an der Stadtteilschule Altrahlstedt. Sie wohnen in der gleichen Stadt, doch Welten trennen die beiden.

Jetzt sitzen die beiden gemeinsam in der Pony-Bar am Grindelhof und reden über Ann-Sophies Pläne. Die Schülerin will ein Praktikum machen als Tierpflegerin. Und Gesa, die Studentin, hilft ihr bei der Bewerbung. Dass die beiden zueinandergefunden haben, verdanken sie der Initiative Rock your life (RYL), die vor Kurzem in Hamburg gestartet ist. Ann-Sophie und Gesa sind ein Coaching-Paar. Eines von 28. Die Idee ist einfach wie genial: Studenten der Universität helfen Schülern zwei Jahre lang bei der Vorbereitung auf den Schulabschluss. Sie unterstützen die Schüler beim Einstieg in die Ausbildung, zeigen Berufswege und helfen ihnen dabei, ihr Potenzial zu entfalten. "Wir wollen Brücken bauen zwischen Schülern, Studierenden und Unternehmen", sagt Studentin Lea Borgmann, die das Projekt nach Hamburg geholt hat. Der Hamburger Verein arbeitet zurzeit mit drei Schulen zusammen: den Stadtteilschulen Ida-Ehre, Altrahlstedt und Waldörfer. "Es geht uns darum, Perspektiven zu schaffen. Vor allem für Schüler, die als chancenlos gelten", sagt Lea Borgmann.

Jeder Schüler hat einen Studenten nur für sich, der sich Zeit nimmt und hilft, Probleme zu lösen. Nora Kloodt, 21, kümmert sich um Paulette Gakumba, 14. Nora wird im Sommer ihren Abschluss an der Hamburg School of Business and Administration machen, Paulette besucht die 9e der Ida-Ehre-Stadtteilschule. Einmal in der Woche treffen sie sich für zwei Stunden. Mal in der Bibliothek, um zu lernen, mal im Eiscafé, um zu plaudern. "Unsere Treffen sollen keine Lehrveranstaltung sein. Es geht einfach darum, für den anderen da zu sein, ihm Dinge zu zeigen, die er vielleicht sonst nicht kennenlernen würde", sagt Nora. Sie will ihrem Schützling vor allem "Mut machen", "einfach da" sein, wie die 21-Jährige sagt. Auf freundschaftlicher Basis. "Ich bin schließlich keine Lehrerin."

Die eigentliche Idee, Studenten und Hauptschüler zusammenzubringen, hatten Studierende der Friedrichshafener Zeppelin University bereits 2008. Auslöser dafür war der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der bei einer Diskussionsrunde an der Privat-Uni auf dem Standpunkt beharrte, dass Hartz IV vererbt werde.

Die Unterschiede zwischen Studierenden und Hauptschülern seien "unüberbrückbar". Eine Aussage, die den Ehrgeiz der Studenten weckte. Sie wollten zeigen, dass es anders geht und gründeten Rock your life. Seitdem ist das Netzwerk stetig gewachsen. Zehn Standorte gibt es derzeit, etwa 300 Coaching-Beziehungen und ein großes Netzwerk aus Unternehmen. Ziel bis 2015 ist ein deutschlandweites, flächendeckendes Rock-your-life-Netz.

Vergangenes Jahr ist in Friedrichshafen der erste RYL-"Jahrgang" fertig geworden. Das Ergebnis aus zwei Jahren Arbeit kann sich sehen lassen. Vier der insgesamt 25 gecoachten Schüler konnten eine Ausbildung beginnen, 15 sind auf die Realschule gewechselt, nur sechs wurden nicht vermittelt. Jede sechste Beziehung ging in den zwei Jahren auseinander.

Denn leicht ist es für Coach und Zögling keineswegs. "Die Beziehung funktioniert nur, wenn beide Seiten mitmachen", sagt Lea Borgmann, die gemeinsam mit ihren Kommilitonen gerade dabei ist, Kontakte zu Hamburger Unternehmen zu knüpfen, die das Coaching mit Praktikums- und Ausbildungsplätzen unterstützen wollen. Für die Firmen bedeute dies mehr Sicherheit bei der Einstellung ihres Nachwuchses. Davon sind die Gründer überzeugt. Und auch Studierende werden weiter dringend gesucht. Junge Menschen, die Lust haben, sich sozial zu engagieren. Lea Borgmann weiß, dass dieser Einsatz Mehrarbeit zusätzlich zum Studium bedeutet - aber dafür durchaus auch nützlich sein kann. Ehrenamtliches Engagement zu zeigen und soziale Verantwortung zu übernehmen, das komme letztendlich auch der eigenen Karriere zugute.