Boris Herrmann will am Sonntag seine Regatta um die Welt beenden. Er ist der einzige deutsche Teilnehmer des Barcelona World Race.

Hamburg. Er hat es fast geschafft. Boris Herrmann ist beinahe am Ziel. Gerade hat der Hamburger zusammen mit seinem amerikanischen Mitsegler Ryan Breymaier, 35, auf der Yacht "Neutrogena" die Straße von Gibraltar hinter sich gelassen. Jetzt heißt es, geschickt die spanische Küste entlang navigieren, die kleineren Schäden an Bord reparieren, den defekten Kiel beobachten und die letzten Essensrationen gut aufteilen. Um dann - vermutlich am späten Sonntagabend - in den Hafen von Barcelona einzulaufen, dem lang ersehnten Ziel der Weltumsegelung, dem Barcelona World Race.

Doch wer Boris Herrmann in diesen Tagen und Stunden vor dem Ende der Regatta nach seiner Gefühlslage fragt - das Abendblatt erreichte ihn via Satellitentelefon -, der erlebt einen nachdenklichen Mann. "Das sind gemischte Gefühle. Ich bin aufgeregt und ruhig zugleich", sagt der 29-Jährige. "Natürlich überwiegt die Sehnsucht, endlich anzukommen." Doch er habe auch eine gewisse Angst vor der Ankunft. "Wenn alle auf mich zustürmen, bin ich sicherlich total überwältigt." Andererseits freue er sich ebenso darauf, nach dreieinhalb Monaten noch immer die beeindruckenden Momente auf See genießen zu können.

Das Team der "Neutrogena" liegt derzeit auf dem fünften Platz. Der wird den beiden auch bis zum Zieleinlauf - etwa eine Woche nach dem französischen Siegerschiff "Virbac-Paprec 3" - kaum noch zu nehmen sein. Herrmann ist mit dem Ergebnis zufrieden, schließlich hatten er und Breymaier sich das auch vorgenommen. "Wir sind aber vor allem zufrieden, weil wir es geschafft haben, wirklich nonstop zu segeln", sagt er. "Und ohne unseren Kielschaden hätten wir um einen Platz auf dem Podium gekämpft. Wir waren in dem Moment, als der Schaden auftrat, nur 30 Seemeilen vom jetzigen Dritten entfernt."

Der Schaden am Kiel bereitet den beiden seit Anfang März Sorgen. Der moderne hydraulische Schwenkkiel, der eigentlich hin und her bewegt werden kann, ist defekt. Nur ein Hydraulik-Zylinder arbeitet noch. Sollte auch der kaputtgehen, sind die Segler in Gefahr: Dann könnte der haltlos hin- und herbaumelnde Kiel das Schiff schwer beschädigen. "Es ist schon beängstigend", sagt er. "Jedes Mal, wenn das Schiff hart aufschlägt, zucken wir zusammen und schauen auf die Instrumente. Hoffen, dass der Kiel in seiner Position bleibt." Der Schaden zwang Herrmann und Breymaier, defensiv zu segeln, starken Winden und Wellen auszuweichen - und so wertvolle Zeit einzubüßen.

100 Tage haben die beiden für die Wettfahrt um die Welt gebraucht. Ursprünglich hatten sie mit maximal 90 Tagen gerechnet, wollten die 25 000 Seemeilen am liebsten sogar in 80 Tagen bewältigen. "Aber unsere Route verlief nördlicher als geplant. Der Eisgang hat uns dazu gezwungen", sagt Herrmann kurz vor dem Zieleinlauf. Zu den Strapazen der längeren Strecke kamen Proviantprobleme. Auf der "Neutrogena" war aus Gewichtsgründen nur Essen für 91 Tage vorhanden. Schon bald begannen die Segler, ihr Essen zu rationieren. "Derzeit müssen 250 Gramm Nudeln für uns beide als Tagesration verteilt auf zwei Mahlzeiten reichen." Zwischengerichte oder gar Müsli gebe es nicht mehr. "Viel ist das bei der körperlichen Arbeit nicht gerade."

Herrmann ist die Entbehrungen der Extrem-Langstreckenregatten allerdings gewöhnt. Das Hochseesegeln hat der Hamburger früh für sich entdeckt. Bereits mehrfach überquerte er den Atlantik. Einmal allein in einem winzigen, 6,50 Meter langen Boot im Rahmen der Minitransat-Regatta von Frankreich nach Brasilien. Im Jahr 2009 siegte Herrmann, der Ökonomie studiert hat, dann zusammen mit dem Hamburger Felix Oehme beim Portimão Global Ocean Race, einer Regatta, die in fünf Etappen und 35 000 Seemeilen um die Welt ging.

Spätestens seitdem gilt er hierzulande als einer der neuen Stars im Segelsport, als eine Hoffnung für eine Sparte, in der Deutschland bisher keine große Rolle spielte, dem Einhand-Hochseesegeln. So wundert es nicht, dass die Regattaleitung des Barcelona World Race ihn 2010 kontaktierte und fragte, ob er sich eine Teilnahme an einer der härtesten Wettfahrten der Welt vorstellen könne. "Das Ziel war es, Segler aus möglichst vielen Nationen im Teilnehmerfeld zu haben", sagt Herrmann, der der einzige deutsche Teilnehmer ist.

"Boris hat die Möglichkeit, in der Sparte international vorn mitzuspielen", sagt Hamburgs Hochsee-Profisegler Tim Kröger. "Mit der erfolgreichen Teilnahme am Barcelona World Race hat er den richtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht." Alle diese Extremwettfahrten dienten für Herrmann vor allem einem Zweck: der Vorbereitung auf sein größtes Projekt. Die Vendée Globe 2012, bei der er allein um die Welt segeln will. Damit wäre Herrmann der erste deutsche Teilnehmer bei der härtesten Einhand-Regatta der Welt.

Doch jetzt heißt es für den dunkelhaarigen Mann mit dem schüchternen Lächeln erst einmal, anzukommen und nach dreieinhalb Monaten wieder Land zu betreten. Dann will er die Eltern und Freundin Arianna in die Arme nehmen und endlich einmal länger als zwei Stunden schlafen. Die Strapazen der vergangenen Wochen sind an Boris Herrmann nicht spurlos vorübergegangen. Er hat abgenommen. Nun will er erst einmal ausgiebig essen. "Ich freue mich vor allem auf so ganz alltägliche Dinge wie ein Glas Orangensaft, frisches Obst, Gemüse oder Brot."