Japan ist immer noch überall - jetzt das Land der untergehenden Sonne. Fukushima ist tiefer in unseren persönlichen Alltag eingedrungen, als wir es uns jemals hätten träumen lassen. "Willst du zum Japaner gehen, musst du nur beim Fisch anstehen." (Konfuzius) Ich war gerade einkaufen. Ein Horror! Die zentrale Frage: Was kann man denn überhaupt noch essen? Ich hatte das Glück, einen der letzten Geigerzähler zu erwerben. Geigerzähler. Das war früher eine Verunglimpfung für einen untalentierten Dirigenten. Heutzutage ist es die entscheidende Einkaufshilfe. Am Frische-Regal treffe ich eine ältere Dame und sage zu ihr: "Gute Frau, Sie haben da aber eine schicke Brosche an ihrer Bluse." "Danke junger Mann, aber das ist keine Brosche", erwidert sie, "das ist ein Dosimeter!" Bei der Soja-Soße spielt mein Geigerzähler verrückt. Als ich den Filialleiter des Supermarktes darauf aufmerksam mache, verschränkt er seine Arme auf dem Rücken und verbeugt sich stumm. Jetzt haben sogar schon die japanischen Entschuldigungsrituale bei uns Einzug gehalten. Sehr bedenklich.

Aber es gibt ja in Sachen Atom zwischen Japan und hier noch einen entscheidenden Unterschied: Während in Japan vonseiten der Regierung und der Betreibergesellschaft gelogen wird, dass sich die "Brennstäbchen" biegen, wird hierzulande nur die Wahrheit gesagt. Und zwar nichts als die Wahrheit. Mein Ehrenwort.

Dennoch, die Skepsis wächst. Ich betrete eine Apotheke, um Jodtabletten einzukaufen. Alles alle. Ich erhalte von der Apothekerin den Hinweis, diese seien unter dem Personal wegen Eigenbedarfs aufgeteilt worden. Ich bräuchte auch gar nicht auf die Suche nach Jod-S11-Körnchen zu gehen, alles alle. Einige ihrer Kunden hätten bereits vorsorglich gleich ihren Wellensittich gegessen, davon könne sie aber wegen der Vogelgrippe nur abraten. Zum Glück esse ich kein Geflügel.

Das war aber noch längst nicht alles: Der FC St. Pauli spielt aus strahlenschutztechnischen Gründen zukünftig nur noch mit ohne Zuschauern im Millerntor-Stadion. Der Menschenrechtler Westerwelle erhält Hausverbot für alle deutschen China- Restaurants. Angela Merkel findet zunehmend Gefallen an dem Gang auf allen Vieren. Die Hamburger SPD zieht mit ihrer Parteizentrale aus humanistischen Gründen in die Rote Flora ein. Die Führungsspitze der GAL tritt geschlossen aus ihrer eigenen Partei aus und in die Hamburger SPD ein. Begründung: "Bei diesen sich überschlagenden Bundestrends in der Wählergunst wollen wir einfach sofort mitregieren!" Na bitte, geht doch.

Niels Loenicker ist Kabarettist und Mitinhaber von Alma Hoppes Lustspielhaus