Eine Glosse von Alexander Josefowicz

Die kleinen gelben Hefte sind Entbehrungen gewohnt: Vom Deutschlehrer in die Buchhandlung gejagt, stellen Schüler merkwürdige Dinge mit Titeln und Autoren des Reclam-Verlags an. Aus der Antigone wird die englisch gesprochene "Anti-Gone", der Verlag wird kurzerhand zum Autor erhoben, Heinrich von Kleist im Gegenzug zum Verleger der "Marquise von O..." degradiert. Ist die Zwangslektüre dann trotz aller Verwirrungen in der Schülerhand angekommen, wird sie mit Unflätigkeiten bekritzelt, zerfleddert und zerknickt. Die Beziehung zwischen Reclam-Heft und Leser ist eine komplizierte.

Die Gefahr, dass Johnny Cash, Bob Dylan und anderen Musikern ähnliche Grässlichkeiten ins Haus stehen, ist groß. Denn das kleine Gelbe gibt es jetzt auch zum Hören. Die "Reclam Musik Edition" bietet, wenn man der vollmundigen Lobpreisung des Labels Sony Glauben schenkt, "legendäre Musik-Ikonen mit ihren größten Aufnahmen". Oder anders gesagt: Best-of-CDs, die mit ihrem literarischen Gegenstück vor allem eins gemein haben: den günstigen Preis.

Endlich können auch die Musiklehrer ihre Eleven hinaus in die Welt schicken, auf dass sie sich mit den großen Alten der populären Musik bekannt machen.

Man sieht die Szene im Plattenladen schon vor sich: "Ich hätte gern das gelbe Album von Johnny Cash." Gut, dass der Mann in Schwarz das nicht mehr erleben muss.