Hamburg. Die Dame hatte es ihm angetan. Sie erregte seine Neugier, beflügelte seine Fantasie, gleich auf den ersten flüchtigen Blick. Verführerisch lehnte sie da auf einem Firmengelände an der Wand, von zarter Figur und zierlicher Größe. Für den Mann stand fest: Die wollte er haben. Und deshalb nahm er sie sich. Platzierte sie in seinem Auto auf dem Beifahrersitz und fuhr mit ihr davon. Die Dame wehrte sich nicht. Sie war stumm, unbeweglich, starr - jedoch nicht vor Schreck. Sondern schlicht weil sie aus Metall war, genauer gesagt aus Kupfer.

Die so ungestüm entflammte Leidenschaft für die kühle Rote ist Jan K. zum Verhängnis geworden. Denn die Staatsanwaltschaft hat naturgemäß wenig Verständnis für ungebremstes Entzücken, wenn es sich, wie in diesem Fall, augenscheinlich in einem Diebstahl entlädt. Und so sitzt der 40-Jährige jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht, ein schmal gebauter Mann mit modisch gestuftem Putz und schuldbewusster, ja geradezu reumütiger Miene. Herumdrucksen, schönreden, bagatellisieren des Vorfalls vom September vergangenen Jahres, bei dem er an einem späten Sonntagabend laut Anklage die Statue mit einem Wert von rund 1500 Euro gestohlen hat, das versucht der Angeklagte erst gar nicht. Die Sache ist ihm zutiefst unangenehm, ein unendlich peinlicher Ausrutscher, der ihn den Kopf hängen und die Stimme dämpfen lässt.

Er sei Künstler, ringt der Hamburger um Verständnis. Und die Statue, die er seinerzeit im Vorbeifahren zufällig auf einem Firmengelände entdeckt hatte, habe ihm auf Anhieb gefallen. "Ich dachte, die gehört nicht an eine Wand, sondern eigentlich auf einen Sockel." Welche künstlerische Idee denn dahinterstecke, möchte der Amtsrichter wissen. Er habe die Vision gehabt, gerät Jan K. nun ins Schwärmen, die Statue mit einem Motor zu animieren. "Ich wollte, dass die Figur sich langsam dreht und der Sonne folgt wie eine Schildkröte." Er beschäftige sich viel mit Alltagsdingen, in die er dann Motoren einbaue, erklärt der Angeklagte. Er kreiere so beispielsweise "einen Tisch, der rumläuft, und Schränke, die sich hin und her bewegen". Das Material, das er für seine Kunst brauche, beschaffe er sich sonst ausschließlich auf redliche Weise, betont Jan K. Vieles seien Alltagsgegenstände, die andere wegschmeißen würden. "Ich habe einen Blick für wertige Dinge."

Seine Ehefrau, an dem schicksalhaften Abend Fahrerin des Wagens und wegen des Diebstahls der kupfernen Dame als mutmaßliche Mittäterin angeklagt, habe von der Sache "nichts gewusst", betont Jan K. "Ich hatte ihr erzählt, dass wir die Statue geschenkt bekommen haben." Die Ehefrau selbst hüllt sich in Schweigen, doch die Angaben des Angeklagten werden von einem Polizisten bestätigt. Der Beamte hatte die Tat an jenem Abend von seinem Zivilfahrzeug aus beobachtet und die Eheleute, die die Statue in ihrem Wagen auf dem Beifahrersitz festgeschnallt hatten, zur Rede gestellt. "Ich dachte, wir dürfen das", habe die 38-jährige Frau ihren Mann damals irritiert gefragt. Und Jan K. habe sofort zugegeben: "Ich habe dich angelogen." Von Weitem habe es zunächst so ausgesehen, erinnert sich der Beamte als Zeuge, als säßen drei Personen im Auto. In seinem Polizeibericht schrieb er von einer "kupfernen Beifahrerin, circa 20 Kilo schwer". Er brachte die Statue zu ihren Eigentümern auf das Firmengelände zurück. Seine Frau, ergänzt der Angeklagte Jan K. jetzt, habe wirklich nicht verwundert sein müssen über seine Aktion mit der Statue. Sie sei es gewöhnt, dass er ungewöhnliche Materialien sammle.

Der Verteidiger regt eine Einstellung des Verfahrens an, unter anderem wegen des sofortigen Geständnisses. Er hat sich von der kupfernen Dame verleiten lassen". Am Ende erkennt der Amtsrichter auf Freispruch für die Ehefrau, und Jan K. erhält eine milde Form der Bestrafung: Der 40-Jährige wird verwarnt, eine Geldstrafe von 900 Euro wird vorbehalten, also gewissermaßen zur Bewährung ausgesetzt. Für den Angeklagten spreche, dass er die Tat sofort eingeräumt habe und dass die Statue an die Besitzer zurückgelangt sei. "Sonst wäre sie wahrscheinlich verbaut worden." Doch einen finanziellen Denkzettel bekommt Jan K. trotzdem: Er muss als Bewährungsauflage 900 Euro Geldbuße zahlen - zugunsten des Fördergebiets Wissenschaft, Bildung und Kunst, bestimmt der Richter. Insgesamt, sagt er nachdenklich, habe der Fall "ein besonderes Gepräge, das ich persönlich ziemlich einmalig finde".