Ein Kommentar von Katharina Miklis

Kaum hat man das Gefühl, dass es in Deutschland kein gesellschaftliches Tabu mehr gibt, das gebrochen werden könnte, kommt jemand wie Charlotte Roche um die Ecke. Sie ist ja quasi die Tabubrecherin der Nation, hat mit "Feuchtgebiete", ihrem Bestseller über Intimpflege, angeblich eines der letzten No-go-Themen beschrieben. Im Sommer kommt mit "Schoßgebete" nun also der Nachfolger heraus. Und das war zu befürchten: Er widmet sich laut Verlag "einem unserer letzten Tabus". Diesmal ist das ehelicher Sex.

Wenn es darum geht Auflage oder Quote zu machen, dann bedient man sich nur allzu gerne an Themen, über die angeblich keiner spricht. Und irgendwie scheint die Welt auch voll zu sein von diesen letzten großen Tabus. Während in den 70ern die von Alice Schwarzer initiierte Abtreibungs-Kampagne noch einen echten Tabubruch darstellte, wird man heute von allen Seiten mit lediglich vermeintlichen attackiert. Mal sind es Depressionen, Inzest oder Sterbehilfe. Wenn die Einschaltquote stimmen soll, deklariert Stefanie zu Guttenberg auf RTL 2 Cyber-Grooming als letztes großes Tabu. Oder die "Tatort"-Macher im Ersten schwule Fußballer. Heraus kommt meist nur heiße Luft. Bei so vielen angestrengten Provokatiönchen in Fernsehen und Literatur möchte man nur noch brechen - aber bitte keine Tabus.