Im Prozess um den getöteten Sohn verlor die Mutter des Opfers die Nerven. Familien lange verfeindet

Neustadt. Das Landgericht hatte die Sicherheitslage als brisant eingestuft, die Vorkehrungen massiv verschärft - und das aus gutem Grund. Schon bevor die beiden Angeklagten im Oktober 2010 einen 21 Jahre alten Mann getötet haben sollen, waren die Familien der mutmaßlichen Täter und des Opfers verfeindet. Gestern kam es vor Gericht zum Eklat.

Im Zuschauerraum des Hochsicherheitssaals sitzen Verwandte des Opfers. Sie bepöbeln die Angeklagten, die Stimmung heizt sich auf. Als Nebenklägerin ist auch die Schwester des Opfers anwesend - nur zwei Meter entfernt von Renat S., 30. Der vierfache Familienvater ist der mutmaßliche Haupttäter. "Du Mörder", schreit die junge Frau. Ihr Vater, ebenfalls Nebenkläger, trägt ein T-Shirt mit einem Bild seines toten Sohnes und der Aufschrift "Warum?". Auch er kann seine Gefühle kaum im Zaum halten. Dann kommt die Mutter des Getöteten in den Saal: Sie weint und brüllt, ihr Gesicht ist wutverzerrt. Sofort stürzt sie sich auf Renat S. und packt ihn am Pullover. Bevor Justizbeamte die aufgebrachte Frau zurückreißen können, zieht sie einen ihrer Stöckelschuhe aus und feuert ihn in Richtung des Angeklagten. Doch das Geschoss verfehlt das Ziel, zischt haarscharf an einer Schöffin vorbei, bevor es hinterm Richterpult landet. Kurze Zeit herrscht Chaos im Saal. "Hier wird ruhig verhandelt, man fällt nicht übereinander her", fährt der Vorsitzende Richter Wolfgang Backen mit donnernder Stimme dazwischen. Die Anträge der Verteidigung, die Schwester und die Mutter des Opfers vom Prozess auszuschließen, lehnt er jedoch ab. Backen belässt es bei einer Verwarnung.

Renat und Semso S., wie alle Beteiligten mit südosteuropäischem Familienhintergrund, sind wegen Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Auf einem Spielplatz in Eidelstedt soll Renat S. mit einem Messer dem 21 Jahre alten Robert R. am Abend des 5. Oktober in die Brust gestochen haben. Danach sollen er und sein Bruder Semso S. mit vier bislang nicht ermittelten Komplizen auf den Mann eingeprügelt und eingetreten haben. Robert R. verblutete.

Laut Anklage war am Nachmittag ein Streit zwischen den Familien der Angeklagten und des Opfers eskaliert - dabei soll es um ein falsch geparktes Auto gegangen sein. Äußern wollen sich die vorbestraften Brüder vorerst nicht. Der Prozess wird fortgesetzt.