Angeklagter soll seine 27 Jahre jüngere Ex-Frau gebissen und ihren beinamputierten Ehemann niedergestochen haben. Fall vor Amtsgericht.

Harburg. Als Abir I. vor rund zehn Jahren in Ägypten heiratete, ahnte sie nicht, was ihr bevorsteht. Sie war damals 22 Jahre alt, ihr Ehemann Omar K. war 49. Im Jahr 2000 zogen sie nach Deutschland. Sie träumten von einer gemeinsamen Zukunft, von einer heilen Welt in einem heilen Land. Vier Kinder kamen in kurzen Abständen zur Welt.

Doch die Ehe mündete in einem Desaster. "Immer wieder hat er mich geschlagen", sagt Abir I., heute 32. "Ich habe ihn nicht mehr geliebt." Nachdem sie 2008 die Scheidung eingereicht hatte, lernte sie im Supermarkt eine neue Liebe kennen - Bashar A., 34. Doch ihr Nein wollte Omar K. nicht akzeptieren.

Zuletzt habe er sie auf einem Flohmarkt zusammengeschlagen und ihrer Familie in Ägypten gedroht, er werde sie "viergeteilt in einer Box nach Hause schicken", sagt Abir I. Am Morgen des 13. Dezember 2009 rastete Omar K. tatsächlich aus: Laut Anklage soll er seine Ex-Frau und ihren neuen Ehemann brutal zusammengeschlagen haben.

Der Fall beschäftigt seit gestern das Harburger Amtsgericht. Omar K. ist nun 59 Jahre alt. Ein untersetzter Mann mit dröhnender Stimme und schütteren, dunklen Haaren. Aus einer orangefarbenen Plastiktüte zieht er ein weißes T-Shirt mit roten Flecken hervor. "Das ist Blut", sagt er. "Mein Blut." Ein Beweisstück, das soll es wohl sein: Er sei nicht der Täter, sondern das Opfer! "Ich konnte die beiden gar nicht schlagen", sagt Omar K. treuherzig, "ich bin ein alter Mann."

Die Wohnungstür öffnete an jenem Morgen der "Neue", Bashar A. Vor Jahren war dem Iraker der Unterschenkel amputiert worden, er trug keine Prothese. "Ich wollte doch nur meine Kinder sehen", sagt Omar K. "doch er hat mir sofort mit der Faust auf den Kopf, mich dann mit einem Hammer und einer Farbrolle geschlagen." Auch seine Frau habe bei der Rangelei auf ihn eingeprügelt, da habe er ihr in den Unterarm gebissen und sich mit einem kleinen Holzstück gewehrt, das er auf dem Boden der Wohnung gefunden habe. Offenbar stach Omar K. damit zu: Sechs Tage musste Bashar A. nach der Attacke mit schweren Stichverletzungen im Krankenhaus verbringen.

Dem Richter ist nicht klar, warum aus dem Nichts heraus eine Situation derart eskaliert sein sollte. "Es hat schon lange Auseinandersetzungen gegeben", sagt der Angeklagte und erzählt eine kuriose Geschichte: 6000 Euro habe Bashar A. für eine Scheinehe mit seiner Frau gezahlt.

Damit die Ausländerbehörde keinen Verdacht schöpft, sei er Mitte 2008 aus- und Bashar A. in die Wohnung in Wilhelmsburg eingezogen. Aus den geplanten zwei Monaten seien dann aber wegen formaler Probleme anderthalb Jahre geworden, und in dieser Zeit habe sich der Scheinehemann an seine Frau "herangeschmissen" und versucht, seinen Platz einzunehmen. "Mit dem Angriff auf mich", sagt der Angeklagte, "wollte er wohl seine Männlichkeit unter Beweis stellen."

An dem Scheinehe-Vorwurf sei nichts dran, sagt indes Abir I., die aus Angst zunächst mit ihrer Aussage zögert. Zur Sicherheit hat eine Mitarbeiterin der Familienhilfe die junge Frau ins Gericht begleitet. An jenem Morgen habe ihr Ex ihren Mann geschlagen und ihr wie von Sinnen die Faust mehrfach ins Gesicht gedroschen, sodass sie kurz das Bewusstsein verlor. Dann der Biss in den Unterarm, so tief, dass die klaffende Wunde medizinisch versorgt werden musste.

Nach der letzten Attacke war Abir I. in ein Frauenhaus außerhalb Hamburgs geflüchtet. Omar K. hatte sie einen Tag vor der Verhandlung in Harburg dort aufgespürt. Nun muss Abir I. mit den Kindern eine neue Bleibe finden. Ihren Ex-Mann hingegen sieht sie schon morgen im Gerichtssaal wieder.