Die verbreitete Deutung, bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz handele es sich um Schicksalswahlen für die schwarz-gelbe Bundesregierung, trifft nicht den Kern.

Auch nach diesen Wahlen werden Union und FDP über eine stabile Mehrheit im Bundestag verfügen. Und ob sie mit ihrem Führungspersonal aussichtsreich in die nächste Bundestagswahl ziehen können, entscheiden andere Fragen als nach dem Erfolg im Südwesten der Republik. Wichtig wird sein, ob CDU, CSU und FDP nun endlich eine gemeinsame Linie gefunden haben.

Die Wende in der Atompolitik ist atemberaubend, die Enthaltung im Libyen-Krieg zumindest überraschend. Wer die Entscheidungen allerdings isoliert betrachtet, kann erkennen: Sie sind richtig. Die apokalyptischen Ereignisse von Fukushima haben den Blick auf die Atomenergie verändert. Einen drohenden Super-GAU in einem Industrieland hatten auch Kernkraftskeptiker kaum für möglich gehalten. Das Atom-Moratorium mag überstürzt wirken, doch zählt die Erkenntnis, dass eine Neubewertung der Laufzeitfrage unumgänglich ist.

Der Militärintervention in Libyen fehlt ein durchdachtes Ziel. Außerdem steht die Resolution 1973 des Weltsicherheitsrats, der Deutschland die Zustimmung verweigert hat, völkerrechtlich auf schwankendem Grund. Mit Waffengewalt in einen Bürgerkrieg einzugreifen ist nach internationalem Recht nur erlaubt, wenn Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschheit drohen. Dafür gibt es in Libyen - so grausam Gaddafi die Aufständischen bekämpft - bisher keinen Beleg.

Welche Zukunft die schwarz-gelbe Bundesregierung hat, wird sich auch daran entscheiden, ob sie bei ihrer neuen Haltung bleibt oder ob sich diese als Wahlkampfmanöver entpuppt. Auf die Wahlen folgt der Wirklichkeitstest: Trägt das Nein zum Krieg in Libyen? Oder müssen deutsche Soldaten aus falsch verstandener Bündnissolidarität am Ende doch an der Großen Syrte kämpfen? Werden die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke den japanischen Erkenntnissen angepasst? Oder kehrt die Regierung zu ihrem Energiekonzept zurück, als sei nichts geschehen?

Von Wirtschaftsminister Brüderle wird berichtet, er habe vor Industrievertretern das Atom-Moratorium wahltaktisch begründet. Verhielten sich CDU, CSU und FDP tatsächlich, wie Brüderle befürchten lässt, hätte die Regierung ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Ihr Schicksal wäre besiegelt.