Man könnte die beiden über ihre Gemeinsamkeiten beschreiben - das wäre relativ schnell erzählt. Oder über die Unterschiede, das würde schon länger dauern. Aber vielleicht sollte man doch den Umweg über den ehemaligen Reiterhof in Hamburg-Lokstedt nehmen. Dort, wo heute Buletten unter dem gelben M gebraten werden, lernte in den 70er-Jahren ein Mädchen namens Aydan das Reiten. Aus dem Mädchen wurde eine Frau, sie trat in die SPD ein, wurde in die Bürgerschaft gewählt und lernte dort ihren Mann kennen - Michael Neumann.

Während Aydan Özoguz ihren eigenen Weg machte und heute im Bundestag sitzt, reüssierte ihr Mann als Oppositionsführer. Gefürchteter als die beißende Kritik des SPD-Fraktionschefs war nur noch sein Händedruck. Und eine seiner Zielscheiben auf der Senatsbank war ausgerechnet jener feingeistige Junge, den seine Frau damals auf dem Reiterhof kennengelernt hatte: Dietrich Wersich, einer der Söhne der Hofbesitzer.

Der Sozialsenator der CDU - Abitur auf dem elitären Johanneum, studierter Mediziner, ehemals Geschäftsführer des Altonaer Theaters - fragte sich so manches Mal, was den im Ruhrpott geborenen kantigen Berufssoldaten Neumann nun wieder geritten hat, wenn der Senatoren als "totale Fehlbesetzung" abkanzelte. Wie man sich im neumannschen Fadenkreuz fühlt, bekam Wersich noch kurz vor der Wahl zu spüren: Er habe "sich offensichtlich nicht mehr im Griff", ätzte der Sozialdemokrat, nachdem der CDU-Senator wahrheitswidrig behauptet habe, die SPD wolle den Integrationsbeirat abschaffen. Neumann bedauerte, dass Wersich "glaubt, zu solchen Mitteln greifen zu müssen".

Das war ein bisschen schräg. Aber die Waffen wechseln ja mitunter mit der Rolle - und die haben beide inzwischen getauscht. Jetzt ist Neumann Teil der Zielscheibe SPD-Senat, und Wersich leitet als CDU-Fraktionschef die Abteilung Attacke. Auf den ersten Blick zwei Irrtümer: Der auf Angriff programmierte grobe Klotz aus Dortmund muss sich jetzt nach Nächten mit brennenden Autos oder Krawallen in der Schanze vor Polizei und Feuerwehr stellen und staatstragend verkünden: Hamburg ist eine sichere Stadt. Und der intellektuelle hanseatische Musterschüler muss das geißeln, und zwar möglichst laut und deutlich.

Doch dem zweiten Blick halten diese Widersprüche nicht stand. Dass Wersich sich keineswegs zu fein für derbe Worte ist, hatte er noch als Senator demonstriert, als ihm vor der versammelten Rathaus-Presse das Wort "Verarsche" für ein SPD-Wahlversprechen entglitten war. Das sei aus dem Brass heraus entstanden, er verstehe gar nicht, warum diese eine Entgleisung immer wieder zitiert werde, sagte der 46-Jährige später. Das darf getrost als Koketterie verbucht werden. Natürlich war sich der erfahrene und stets bedächtig seine Worte wählende Politiker der Wirkung dieses Auftritts bewusst - es war quasi seine Ein-Wort-Bewerbung für den Posten des Oppositionschefs, den auch Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus gern eingenommen und Frank Schira gern behalten hätte.

Während Wersich sich mit seinem Hang, andere seine intellektuelle Überlegenheit spüren zu lassen, innerparteilich manches Mal selbst im Weg stand, geht Neumann den entgegengesetzten Weg. "Ich bin ja ein schlichter Mensch", intoniert der 41-Jährige Gespräche gern - um sich dann doch als sensible und vielschichtige Persönlichkeit zu entpuppen, die nebenher als Lehrbeauftragter der Bundeswehr-Uni tätig war und einige Bücher herausgegeben hat. In einem zitiert Neumann Altbürgermeister Henning Voscherau, wonach jeder Senat "auf den Schultern seiner Vorgänger" stehe. Insofern ist Ex-Senator Wersich Teil des Fundaments von Neu-Senator Neumann.

Ob das auch für den Oppositionschef gilt? Nein, ein Vorbild sei Neumann ihm nicht, sagt Wersich. Persönliche Angriffe seien nicht sein Stil. Umgekehrt kommt der Innensenator zwar nicht umhin, das "gute Verhältnis" zu seinem Duz-Freund zu betonen. Aber solche "Fehler", wie dieser sie bei der Kitagebührenerhöhung gemacht habe, wolle er natürlich vermeiden.

Aber vorkommen werden sie, das lehrt die Erfahrung. Und viele Abgeordnete werden den Ex-Oppositionschef Neumann dann mit Genugtuung attackieren, Wersich vorneweg. Die Bürgerschaft ist ja kein Ponyhof.