Kreative Materialforscher sorgen bei der Hamburger Sasol Wax für Markterfolge. Investitionen von 50 Millionen Euro und mehr Mitarbeiter.

Hamburg. Auf den ersten Blick haben Teelichter, Wimperntusche und eine geniale Idee zum Ausbessern von Schlaglöchern, die nach dem harten Winter Hamburgs Autofahrer nerven, nichts miteinander zu tun. Doch beim Rundgang durch das Werk der Sasol Wax GmbH im Hamburger Hafen, einem Gelände mit riesigen Tanks und einem fast labyrinthisch anmutenden Gewirr von Rohrleitungen, in denen sich die Elbphilharmonie auf der anderen Seite des Flusses spiegelt, wird die Gemeinsamkeit schnell deutlich: Die Produkte für das romantische Dinner bei Kerzenlicht, für das Aufhübschen des weiblichen Augenaufschlags und den Straßenbau basieren allesamt auf der raren Ressource Öl.

Die Hamburger Sasol Wax erzeugt aus einer dunklen, schlammigen Ölmasse, praktisch einem Abfallprodukt der Raffinerien, Paraffin. Nach der Säuberung entsteht ein weißes, blass durchsichtiges, auf Druck nachgebendes und den Fingern schmeichelndes Material. Laien würden es Wachs nennen, das Grundstoff ist für immer mehr Produkte.

Der Erfindungsreichtum der Materialforscher bei Sasol, die das Paraffin in Pastillen, Blöcken, Pulver oder als Flüssigware herstellen können, zahlt sich wirtschaftlich immer mehr aus. Geschäftsführer Thomas Lüdemann, der das Industrieunternehmen seit 2008 leitet, hat in diesen drei Jahren nicht nur aus seinem Büro die Elbphilharmonie in den Himmel der HafenCity emporwachsen, sondern auch seine Umsätze in immer neue Höhen klettern sehen. Von 2009 bis zum vergangenen Jahr konnte sich der 52-Jährige über ein sattes Umsatzplus von 320 auf 350 Millionen Euro freuen.

"Gute Ertragssituation"

Und für dieses Jahr rechnet der Diplomchemiker mit einem Zuwachs bei den Erlösen um fünf Prozent. Dazu ist das Unternehmen "in einer guten Ertragssituation", obgleich auch einige Konkurrenten wie die Hamburger Hansen & Rosenthal und die Raffinerien selber Paraffine anbieten.

So kurz die verbleibende Lebensdauer des Rohstoffs Öl nur noch sein wird - Experten prognostizieren ein Versiegen der Ölquellen in den nächsten Jahrzehnten - so intensiv arbeiten die Hamburger Chemiespezialisten bei Sasol an immer neuen Nutzungsmöglichkeiten für ihre Paraffine. Zwar geht ein großer Teil der Wachse in die Kerzenproduktion. Doch der Markt ist gesättigt, und eine wachsende Nachfrage selbst bei den größten Kerzenliebhabern der Welt, den Deutschen und den Polen, ist nicht absehbar.

Einer der Hoffnungsträger für Sasol ist daher ein patentiertes Verfahren zur Aufarbeitung von Straßen. Auf einer Teststrecke in Wilhelmsburg haben die Tüftler ihr Material bereits verbaut. Wurde früher der Asphalt abgefräst und landete anschließend quasi im Müll, kann er heute mit einer Öl-Wachs-Mischung von Sasol wieder aufgearbeitet und erneut auf die Straße gebracht werden. "Dieses neue Straßenrecycling spart ein Drittel der üblichen Kosten", schwärmt Lüdemann.

Eine andere Produktidee der Hanseaten trägt zur Rettung der Urwälder bei. "Mit unseren Produkten können unsere Kunden Buchen- und Kiefernholz wetterbeständig machen", sagt Lüdemann. So könnte heimisches, imprägniertes Holz für Terrassen und Gartenmöbel genutzt werden und Tropenholz ersetzen.

Die Muttergesellschaft der Hamburger Sasol Wax, der Energiekonzern Sasol aus Johannesburg mit 34 000 Beschäftigten, honoriert den Innovationsgeist der Hamburger. Nach einer Investition von 35 Millionen Euro in die Fabrik will die Muttergesellschaft in den nächsten drei Jahren weitere 15 Millionen unter anderem für eine eigene Stromversorgung in Hamburg investieren. "Unsere Konzernmutter steht zu unserem Standort", freut sich Lüdemann, der dadurch auch neue Mitarbeiter einstellen kann.

Der Ableger in der Hansestadt zählt derzeit 470 Beschäftigte und könnte mit seinem Team schon bald die 500er-Marke erreichen. In den 90er-Jahren hatten sich die Südafrikaner an der damaligen Hans Otto Schümannn GmbH & Co. KG beteiligt - kein schlechtes Investment, hatte sich Schümann doch in den 50er-Jahren als Erfinder der Ölresteverwertung einen Namen gemacht.

Aber auch die Lage an der Elbe ist für den Investor aus Afrika attraktiv, nicht unbedingt wegen der nordischen Hafenromantik, sondern weil das Gelände mit seiner eigenen Kaimauer logistisch ein Glücksfall ist. Aktuell bereitet der Standort dem wachsenden Unternehmen allerdings auch einige Sorgen. "Wir können uns hier nicht mehr ausdehnen", sagt Lüdemann. Das Wasser der Elbe schwappt an die Hafenkanten des Unternehmens, gleich nebenan sitzt die Shell. Aber auch für ihr Platzproblem dürften die Wachsspezialisten schon eine Lösung in der Schublade haben. Ihre Kreativität kennt ja bekanntlich auch keine Grenzen.