Liebe Hamburgerinnen,

liebe Hamburger!

Zwar habe ich meine komplette Kindheit in Honduras verbracht und sehe ja tatsächlich viel mehr nach Lateinamerika aus als nach Lokstedt oder Langenhorn. Und dennoch verkörpere ich nicht nur die Karibik, denn in meinen Adern fließt auch hamburgisches Blut: Mein Urgroßvater stammt nämlich aus der Hansestadt.

Dieses Gemisch von Herkunft mag ich sehr gern an mir, es kommt mir auch ungemein zugute. Vor allem in meinem Beruf, dem Kochen: Da verbinde ich deutsche Gewohnheiten mit honduranischen Genüssen. So gibt's bei meinen Menüs stets die hierzulande obligatorische Suppe vorweg, natürlich pünktlich und akkurat angerichtet - so weit der deutsche Teil. Da der allerdings nicht gerade für Schärfe, Spannung und Exotik steht, ist die Suppe - wie freilich auch jedes andere Essen - gut gewürzt: mit Koriander oder Kokos, Ingwer oder irgendwelchen Indianerkräutern. Apropos Kochen: Wäre ich in Honduras geblieben, hätte ich das nie richtig gelernt. Denn in Honduras gilt die klassische Rollenverteilung - Kochen ist dort Frauensache. Und wann immer Oma und Mama früher am Herd standen, wurde ich weggeschickt. Doch mit 13 Jahren ging ich mit meiner Familie nach Hamburg. Hier habe ich schließlich eine Ausbildung zum Koch machen können. Für dieses Geschenk bin ich Hamburg bis heute sehr dankbar.

Dankbar bin ich dieser Stadt übrigens auch, wenn ich im Sommer in Planten un Blomen sitze und dort entspannt die Natur genieße. Ich habe Respekt vor jedem Blatt und jeder Blüte - eine Haltung, die eher nicht von meinem Urgroßopa stammt. Denn in Sachen Naturverbundenheit hat der Honduraner dem Hamburger gemeinhin schon etwas voraus. Das Leben im Regenwald ist eben ein ganz anderes als das in der Großstadt.

Wilder Melendez, 21, arbeitet als Koch im Karibik-Restaurant Roatan am St. Pauli Fischmarkt.