Eine Glosse von Matthias Gretzschel

Der unerwartet frühe Tod des Berliner Eisbären Knut hat uns wieder einmal vor Augen geführt, dass auch berühmte Tiere sterblich sind, jedenfalls biologisch betrachtet. Unter kulturellen Gesichtspunkten können sie jedoch Unsterblichkeit erlangen. Ausschlaggebend dafür ist weniger die Beliebtheit, derer sich das jeweilige Tier zu Lebzeiten erfreuen durfte, sondern vor allem seine kulturelle Strahlkraft.

Ein schönes Beispiel dafür ist das weltberühmte Nashorn, das 1514 aus Indien nach Portugal gelangte und das der portugiesische König Manuel I. später Papst Leo X. zum Geschenk machte. Das exotische Tier erregte in ganz Europa Aufsehen, erlitt aber beim Transport nach Rom vor La Spezia Schiffbruch und ertrank jämmerlich. Dass das verunglückte Rhinozeros noch heute populär ist, hat allein kulturelle Ursachen: Raffael malte es und Albrecht Dürer verewigte es auf einem berühmten Holzschnitt. Und selbst Künstler des 20. Jahrhunderts wie Salvador Dalí und Umberto Eco ließen sich von dem Panzernashorn inspirieren. Ob man sich in zehn, 100 oder gar 500 Jahren noch an Knut erinnern wird, erscheint dagegen fraglich - es sei denn, er würde posthum noch zum Thema der Kunst. Vielleicht eines sozialkritischen Romans von Günter Grass, der den Titel "Der Knut" tragen könnte. Schließlich hat der Literaturnobelpreisträger schon mehrfach über Tiere geschrieben.