In der eigenen Nachbarschaft wollen viele Hamburger keine Neubauten

Hamburg. Mitten in Ottensen in der Werkstatt 3, einem Veranstaltungsort für entwicklungspolitische und interkulturelle Themen: Die Aufkleber, die auf dem Tresen liegen, erinnern an die Stuttgart-21-Schildchen, nur dass hier "Altopia" draufsteht. Doch der Protest ist mager. Nur zwölf Besucher haben an diesem Abend, dem 9. März, die zwei Euro Eintritt gezahlt, um sich von der Altopia-Initiative über das Thema "Die Bahn geht - was kommt?" informieren zu lassen.

Bürgerprotest in Hamburg - wo flammt überall Widerstand gegen Wohnungsbauprojekte auf? Das Abendblatt hat sich in allen sieben Bezirken umgehört.

Knapp 80 neue Bauvorhaben gibt es in ganz Hamburg. Wenn die Projekte fertig sind, sollen mehr als 20 000 Wohnungen entstanden sein. Ihnen gegenüber stehen aktuell drei Bürgerbegehren, die Projekte stoppen oder ändern wollen. Bei weiteren fünf Projekten regt oder formiert sich der Protest. Doch diese Zahlen sagen nicht viel über die Wucht aus, die protestierende Bürger entwickeln können. So wurde das Gängeviertel völlig unerwartet von 200 friedlich-freundlichen Besetzern erobert. Alle Pläne, die von Politikern in zum Teil jahrelangen Prozessen ausgearbeitet worden waren, sind heute Makulatur.

Auch andere Projekte zeigen: Politikerpläne und Bürgerwille liegen oft meilenweit auseinander. Schnell sind ein paar Tausend Unterschriften gesammelt. Das geht im dörflich strukturierten Nordosten Hamburgs einfach: Veränderungen will keiner, schon gar nicht, wenn die dörfliche Idylle in Gefahr ist. Ein paar Tausend Stimmen sind da schnell zusammen. So geschehen im Dutzend in den Walddörfern, die als die Wiege der hamburgischen Proteste gegen Bauvorhaben gelten.

Der Bezirk Mitte ist bisher glimpflich davongekommen. Neben dem Gängeviertel konnte beim Protest um die Bebauung im Katharinenquartier mit Hilfe des Oberbaudirektors Jörn Walter Einigkeit erzielt werden. Ein weiteres Bürgerbegehren wird es schwer haben: In Borgfelde protestieren Bürger gegen den Abriss eines altes Hauses samt urigem Eiskeller. Wohl zu spät, denn die Genehmigungen sind bereits erteilt.

In Wandsbek gibt es ein Bürgerbegehren gegen den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 14 (Hinsenfeld). Bürger wenden sich auch gegen die Bebauung einer Freifläche. Diese Unterschriftensammlung läuft bis zum 1. April.

Im Bezirk Nord will die Initiative "Stoppt Langenhorn 73" erreichen, dass Bebauungspläne nicht geändert werden und so eine Siedlung nicht abgerissen und neu gebaut werden kann. Bis zum 5. Mai muss sie 8000 Unterschriften zusammenbekommen.

In Altona sollen in der "Neuen Mitte" 2000 Wohnungen entstehen: Im Gleisbogen entsteht ein neuer Stadtteil - das größte Neubauprojekt neben der HafenCity. Der Altopia-Protest formiert sich schon - wenn auch noch langsam.