Eine Beobachtung von Birgit Reuther

Sonntag, 20.15 Uhr, in der Hamburger Innenstadt: Die Bürgersteige sind nicht hochgeklappt. Wie soll das auch gehen. Aber sie sind leer. Die Laternen sind an, doch es ist niemand zu Hause. Schaufensterpuppen blicken in gepflegter Langeweile auf verwaiste Flaniermeilen. Die Kräne, die unter der Woche neue Glasbauten errichten oder alte entkernen, stehen still. Der Wandel macht Pause. Die City ist tot, sonntagstot. Die ganze City? Nein!

Am Valentinskamp scheint es warm aufs Pflaster. Und da stehen sie: Menschen. Sie reden und rauchen. Im Innern sitzen sie auf alten Stühlen um Mikrofone und Klavier wie um eine Feuerstätte. Der Raum ist so voll, dass die Menschen sogar eine Treppe bevölkern. Die "Sängerknaben und Sirenen" haben zum monatlichen Konzertabend ins Gängeviertel geladen. Vier Musiker, vier Welten. Satter Pop von Sängerin Cashiva, berückender Folk von Hannes Klock, freiheitsliebende Chansons von Sasa und der Bootsmann. Und zum Auftakt spielt ein Typ, der sich Kannemann nennt. Er singt das alte Lied vom "Jung mit 'n Tüdelband". Und spinnt es weiter. Die Ecke, wo der Jung steht, sei nun privatisiert. Hamburg sei jetzt glatt polierte "In-City". Und somit langweilig, stellt Kannemann mit norddeutscher Lakonie fest. Die Innenstadt ist aus der Perspektive des Bergedorfers also eine "Out-City". Dead And The City, wenn man so will. Aber mehr Sonntagabende wie dieser könnten als lebenserhaltende Maßnahme dienen.