Die Reaktor-Katastrophe in Japan hat viele Schwachstellen offenbart. Wer hier steuern will, muss auf das Unvorhergesehene vorbereitet sein, meint der Manager-Trainer

In Japan muss die Welt wieder einmal beobachten, welche Folgen es hat, wenn Organisationen, die hoch zuverlässig sein sollen, scheitern. Wer ein Kraftwerk führt, einen Flugzeugbau koordiniert oder eine Organisation managt, die mit hochexplosiven Stoffen "hantiert", der kennt die besonderen Herausforderungen der "Null-Fehler-Toleranz".

Hoch zuverlässige Organisationen stellen besondere Anforderungen an jene, die dort Führungsverantwortung übernehmen. Wer hier steuern will, für den heißt es, sich auf das Unvorhergesehene vorzubereiten und das Ungeplante zu beherrschen.

Gefährlich ist der Versuch, im Detail vorauszusehen, was passieren wird - denn dieser Versuch unterstellt ein Maß an Verstehen, das man in der komplexen Dynamik von Führung unter Unsicherheit nicht erreichen kann. Im Gegenteil: Es entsteht dann der irrige Glaube, man habe - wenn der Plan nur gut genug sei - alles unter Kontrolle.

Es geht zu wie auf einem Rummelplatz in den 50er-Jahren; dort gab es damals noch sogenannte Wahrsager, die einem die Zukunft wiesen. Was damals ein Gag war, weil die Vorhersagen natürlich von keinem ernst genommen wurden, wird heutzutage aber immer noch verlangt: Vorhersagen, die genau so eintreffen!

Es herrscht eine Logik des Misslingens - die reflexartigen Reaktionen von Behörden und Betreibern zeigen das Problem von Organisationen, die hoch zuverlässig arbeiten müssen: die zu starke Fixierung auf "sichere" technische Prozesse und die Vernachlässigung des Faktors Führung.

Betrieb und Steuerung der Verfahrenstechnik in einem Kraftwerk folgen definierten, aus der Physik und Chemie erzwungenen Prozessen. Da könnte leicht der Eindruck entstehen, dass die Tätigkeit in der Warte, also der Steuerungszentrale eines Kraftwerkes, ein linearer Job sei. Das ist sie natürlich nicht! Wer ein Kraftwerk führt, braucht eine Haltung, in der Flexibilität, gelassene Reaktion, Erfahrung und der strukturierte Umgang mit Unvorhergesehenem breiten Raum einnehmen. Nur dann ist er/sie in der Lage, das Unerwartete zu managen.

Sie laufen aber immer wieder Gefahr, in die alten und mächtigen Muster zurückzufallen. Um das zu verhindern, um also auch in komplexen und unsicheren Situationen dauerhaft entscheidungsfähig zu bleiben, lohnt es sich, die von Dietrich Dörner entdeckte "Logik des Misslingens" im Blick zu behalten:

- Vorgeprägte Einstellungen führen dazu, dass nur die Themen bearbeitet werden, die man schon kennt. Das Erfahrungswissen erweist sich hier als Abschottungsmechanismus.

- Die Zentralidee unterstellt, dass alles von einer einzigen mächtigen Variablen abhängt ("Hätten wir diesen Test erfolgreich bestanden, wäre alles anders gekommen"). Damit wird die Komplexität in einem grandiosen Schritt auf einen einzigen Zusammenhang reduziert.

- Magische Hypothesen sind verführerisch, denn sie vermitteln den Eindruck: "Ja, so muss es sein! So muss es einfach funktionieren!"

- Die Ad-hoc-Aktivität ist die wohl am häufigsten vorkommende Rückfallgefahr. Dabei wird die Führungskraft von ihren Macherqualitäten "erwischt". Ihr Motto: "Es gibt viel zu tun, lasst uns anfangen!" Mit Alternativen beschäftigt man sich dann gar nicht erst.

Von den Organisationsforschern Weick und Sutcliffe wissen wir, dass wache und achtsame Führungskräfte dieser Logik des Misslingens entkommen.

- Sie sind sehr konzentriert auf Fehler, vor allem die "kleinen". Denn jede Abweichung kann Symptom dafür sein, dass mit dem gesamten System etwas nicht in Ordnung ist.

- Sie fördern Grenzgänger, die Vielfalt und eine gesunde Skepsis in ihrem Team. Denn Homogenität kann dann fatal werden, wenn sich vereinfachende Interpretationen als "feste Tatsache" in der Gruppe etablieren.

- Sie handeln eher situativ und beobachten sehr sensibel die täglichen betrieblichen Abläufe. Sie wissen um die Macht der Routine-Muster.

- Sie begreifen Fehler als typischen Teil einer ungewissen Welt. Sie simulieren laufend, was kommen könnte, und üben regelmäßig, um ihre Krisenreaktions-Kompetenzen zu erhalten.

- Sie achten fachliches Wissen und Können höher als hierarchischen Rang. Entscheidungen werden vor Ort getroffen und "wandern" zu dem Mitarbeiter mit der größten Kenntnis.