Der ehemalige SPD-Politiker wurde dem Haftrichter vorgeführt. Staatsanwalt ermittelt gegen ihn wegen elf Straftaten

Hamburg. Der Fall Bülent Ciftlik hat Dimensionen angenommen, die wohl nur noch die Ermittler im Landeskriminalamt in allen Einzelheiten überblicken. Der 38-Jährige sei verdächtigt, elf Straftaten begangen zu haben, gab der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, bekannt, nachdem der 38-Jährige am Dienstagabend gegen 18.30 Uhr in der Nähe seines Altonaer Abgeordnetenbüros von Fahndern des Landeskriminalamts 72, dem Staatsschutz, verhaftet worden war.

Es scheint, als würde sich der ehemalige Hoffnungsträger der Hamburger SPD immer weiter selbst demontieren. Die Vorwürfe, die jetzt gegen ihn erhoben werden, gehen weit über die Tatbestände der ursprünglichen Verfahren hinaus. Von der Anstiftung zur Falschaussage bis zur Fälschung von Sachbeweisen reichen sie. Die Ermittler gehen angesichts der Umstände von Verdunkelungsgefahr aus.

Ganz konkret wird Ciftlik dringend verdächtigt, einen Zeugen, der in polizeilichen Ermittlungen gegen ihn ausgesagt hat, unter Druck gesetzt und sogar geschlagen zu haben. Dies ist einer von mehreren Gründen, die die Staatsanwaltschaft bewog, Haftbefehl gegen Ciftlik zu erwirken.

Die Rede ist von Serkan Bicen, ehemals Vertrauter von Ciftlik und ehemaliger Vorstand in der Altonaer SPD. Über einen Zeugen soll Ciftlik den 23-Jährigen am 15. Februar gegen 21.20 Uhr in sein Abgeordnetenbüro in Ottensen bestellt und in einem Kellerraum zur Rede gestellt haben.

Dabei soll der 38-Jährige den 15 Jahre Jüngeren bedroht und schließlich aus Verärgerung über dessen für Ciftlik negative Zeugenaussage geschlagen haben. Mit der flachen Hand soll er Bicen im Gesicht getroffen haben. Der 23-Jährige erlitt leichte Rötungen und oberflächliche Abschürfungen.

Die gewünschte Wirkung erzielte die Aussprache jedoch nicht. Bicen zeigte seinen ehemaligen Parteifreund daraufhin an. Die Polizei leitete zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der einfachen Körperverletzung gegen Ciftlik ein.

Am Dienstagabend dann stellte ein Richter den Haftbefehl für Ciftlik aus, der 38-Jährige wurde noch am Abend verhaftet. "Es besteht die dringende Gefahr, dass weitere Zeugenaussagen manipuliert und falsche Sachbeweise geschaffen werden, die die Ermittlung der Wahrheit erschweren", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. "Wir sehen diese Gefahr begründet, da der dringende Verdacht besteht, dass er einen Zeugen bedroht und geschlagen haben soll."

Gestern wurde Ciftlik kurz nach 11 Uhr einem Haftrichter vorgeführt und der Haftbefehl verkündet - eine Formsache, die laut Gesetz innerhalb eines Tages nach der Verhaftung erfolgen muss. Zwei Stunden später wurde Ciftlik zurück in die Einzelzelle des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis in der Innenstadt gebracht. Ciftlik selbst machte keine Aussage, soll zudem sehr gefasst gewirkt haben. Er wurde von zwei Verteidigern begleitet, die mehrere Anträge stellten, unter anderem eine Haftprüfung beantragten.

Der 38-Jährige, der von der SPD bereits aus der Partei und aus der Fraktion ausgeschlossen wurde, hatte einen Übergriff gegen Bicen Serkan immer abgestritten. Er habe den 23-Jährigen schon seit Wochen nicht mehr gesehen, ließ er im Februar noch über seinen Anwalt verkünden.

2010 war Ciftlik wegen Vermittlung einer Scheinehe zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Gegen das Urteil waren sowohl der 38-Jährige als auch die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen. Das Verfahren in zweiter Instanz stockte jedoch, nachdem Ciftlik aus Krankheitsgründen nicht zum ersten Prozesstag erschien.

Zudem geht die Anklagebehörde dem Verdacht nach, dass Ciftlik für ihn arbeitende Wahlhelfer angewiesen haben soll, Briefwahlanträge türkischstämmiger Deutscher für die Bürgerschaftswahl 2008 zu fälschen. In diesem Verfahren hatte Serkan Bicen gegen Ciftlik ausgesagt.