Jutta Ludwig übernimmt die Leitung der HWF. Die Managerin will weitere Firmen aus China an die Elbe holen. Sie kennt das Land besonders gut.

Hamburg. Sie ist Mutter von drei Söhnen, 1,67 Meter groß, taff und hat seit ihrer Jugend ein Faible für China: Mit Jutta Ludwig hat die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) seit Anfang März eine Chefin, die sich nicht nur in dem für die Stadt wichtigen asiatischen Land auskennt, sondern nach zahlreichen beruflichen Aufenthalten in China in ihre Geburts- und Heimatstadt zurückkehrt. Schon während ihres Studiums der Volkswirtschaftslehre und Sinologie hat es die heute 57-Jährige in das Land der Mitte gezogen. Damals war China noch abgeschottet, eine Studiengenehmigung war kaum zu bekommen. Jutta Ludwig hat sie 1975 erhalten - für Taiwan zum Chinesischlernen. Dort hat sie auch ihren Mann Harris Tiddens, einen Niederländer, kennengelernt. "Wir sind seit mehr als 30 Jahren verheiratet."

Dass sie jetzt nach sieben Jahren Tätigkeit bei der Auslandshandelskammer in Peking das Angebot aus der Hansestadt erhielt, kommt ihr gelegen. Nicht nur wegen der hier lebenden Freunde und Verwandten, sondern auch, weil Hamburg die deutsche Stadt mit den meisten chinesischen Firmen ist. 440 Unternehmen aus dem Land haben eine Niederlassung in der Stadt. Die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft und die Wachstums- und Ansiedlungspolitik der Hansestadt ergänzen sich offenbar gut. Hamburgs Cluster, also Kompetenzbereiche plus Branchennetzwerke wie Luftfahrt, Erneuerbare Energien oder Gesundheitswirtschaft, findet sie wichtig. "Eine Region, die Kompetenz in bestimmten Sachgebieten vorweisen kann, zieht weitere Unternehmen an", sagt sie.

"Chinesische Firmen sind derzeit auch stark an unserer Gesundheitswirtschaft interessiert", gibt sich die Wirtschaftsförderin zuversichtlich, dass die HWF weitere Unternehmen in die Stadt locken kann. Ein weiteres Cluster für die Maritime Wirtschaft ist geplant. Auch in diesem Bereich rechnet Jutta Ludwig mit Ansiedlungserfolgen aus dem Land der Mitte. Ein großes Pfund von Hamburg sei der Hafen. Die chinesische Reederei Cosco hat bereits Interesse gezeigt, sich am geplanten neuen Terminal in Steinwerder zu beteiligen. Allerdings spiele da auch die Elbvertiefung eine Rolle.

Jutta Ludwig hat es in einer Zeit nach oben geschafft, als das Wort Frauenquote noch ein Thema für Minderheiten war. "Ich will keine Quotenfrau sein", erteilt sie gesetzlichen Regelungen eine Absage. "Ich bin aufgestiegen, weil ich gute Arbeit geleistet habe." Besser als eine Quote wären Möglichkeiten zur Ganztagsbetreuung und -schulen für Kinder. "Bei meinen Schwägerinnen in den Niederlanden mit Ganztagsschulen gibt es die Diskussion zum Thema Frau und Karriere nicht." Mithelfende Ehemänner seien die Regel.

Jutta Ludwig hat auf ihrem beruflichen Weg auch Glück gehabt, wie sie selbst sagt. Und sie hat immer zum richtigen Zeitpunkt Ja gesagt. Damals, 1982, als sie an ihrer Promotion arbeitete und der Anruf vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kam. Der Verband suchte einen Mitarbeiter für seinen Ost-Ausschuss, also Staaten, in denen nicht die freie Wirtschaft das unternehmerische Geschehen prägte, sondern die Regierung. "Ich sagte natürlich zu." Den Doktortitel hat sie bis heute nicht gemacht. "Ich habe Wirtschaftspolitik hautnah in der Praxis miterlebt, das war hochinteressant."

Und ihr Interesse für China hat nicht nachgelassen. 1993 kam eine weitere Gelegenheit. Karstadt holte die Expertin zu sich. Der Warenhauskonzern wollte künftig mehr Bekleidung in dem Land produzieren lassen. Jutta Ludwig verhandelte mit den Herstellern, die damals in der Regel noch in staatlicher Hand waren, schuf die passenden Strukturen, damit die Qualität stimmt. "Ich merkte schnell, dass die Produktionsbedingungen in den chinesischen Betrieben nicht optimal waren", sagt sie. Energieverbrauch, Wasser- und Luftverschmutzung waren zu hoch.

Auch Chinas Regierung war bewusst, dass ein Nachholbedarf beim Thema Energieeffizienz besteht. So wechselte Jutta Ludwig 1996 zum damals von Ernst Ulrich von Weizsäcker geleiteten Wuppertal Institut für Klima Umwelt Energie. Ihr Auftrag: dem Land zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz zu verhelfen. "Wir haben in der ersten Sonderwirtschaftszone im Süden Chinas gearbeitet. Das war absolute Pionierarbeit", sagt sie. "Die Chinesen mussten als Erstes davon überzeugt werden, dass Umweltschutz und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen auch die Produktionskosten verringert. Mit unserer Hilfe könnten sie 30 Prozent ihrer Kosten sparen."

Im Jahr 2003, als die Kinder größer waren, wechselte sie zur Auslandshandelskammer nach Peking. Dort beriet sie unter anderem deutsche Mittelständler, die sich ansiedeln wollten oder Produkte nach China lieferten. Jetzt soll die Hamburger Wirtschaft von ihrem Know-how profitieren.

Ganz abgehakt ist das Thema Frauenquote gegen Ende des Gesprächs mit dem Abendblatt noch nicht. "Ich bin Managerin und Mutter", so Jutta Ludwig. "Erfolgreich bin ich erst, wenn auch meine Kinder einen guten beruflichen Weg einschlagen." Das hat sie erreicht. Ein Sohn ist Arzt, der andere Zahnarzt und der dritte, ein Physiker, schreibt gerade an seiner Diplomarbeit.