Das hohe Gehalt des CDU-Fraktionschefs sei kein “verfassungspolitisches Schurkenstück“, wehrt sich der CDU-Politiker, sondern eine Aufwertung des Parlaments

Um die Diskussion bezüglich des Gehalts des Oppositionsführers in der Hamburger Bürgerschaft zu verstehen, muss man tatsächlich in die Geschichte zurückgreifen, wie das an dieser Stelle Markus Wegner gemacht hat, der die Vorgänge von 1971 als ein "verfassungspolitisches Schurkenstück" wertet. Da mögen alte Wunden eines ehemaligen CDU-Mitglieds die Feder geführt haben.

Damals standen die Altonaer CDU und Junge Union in wechselvoller Beziehung zum CDU-Landeschef Jürgen Echternach. Hinsichtlich der Verfassungsänderung gab es aber auch von Fraktionsmitgliedern keine Bedenken. Die Stellung der Opposition in einem Parlament war eines unserer Themen in der politisch sehr agilen Jungen Union. Die völlige Unterbewertung der Volksvertretung war uns bewusst. Wir schauten neidvoll auf die USA, wo Senatoren leidenschaftliche Parlamentarier waren und so auch wahrgenommen wurden, wenn sie Präsident und Regierung widersprachen.

Der damalige Verhandlungsführer Echternach hat auch nach der Verfassungsreform kein Gehalt bekommen. Er war und blieb Direktor der Wohnungsbaukreditanstalt. Die Bürgerschaft galt als "Feierabendparlament", um einerseits die Niedrigststufe einer Aufwandsentschädigung aller deutschen Landesparlamente zu rechtfertigen und andererseits die Besteuerung dieser geringen Summe zu verhindern. Ein unhaltbarer Zustand, wie CDU-Abgeordnete meinten. Einige wollten sogar klagen. In der SPD spielten die geringen Diäten lange Zeit keine Rolle. Viele Abgeordnete bekamen ihre Entlohnung im Staatsdienst oder bei staatsnahen Unternehmen, was über Jahrzehnte im "roten Filz" seinen Ausdruck fand. Die Diäten wurden weitgehend von der Partei abgeschöpft.

"Feierabendparlament" klang ebenfalls nicht gut - "Schlafmütze" und "Amateurhaftes" schwang ständig mit. Rathaus und Senat galten als nahezu identisch, und so kam ein Abgeordneter aus der Sicht mancher Bürger eben "aus dem Senat". Die langjährige Regierungspartei hatte lange nichts dagegen. Damals gab es wenig Interesse, das Parlament aufzuwerten und der Opposition eine Bühne zu bereiten. Sie entdeckte das Parlament so richtig erst in den fast zehn Jahren Opposition.

Es war ein mühevoller Weg, bis 1971 die Opposition als Gegenfunktion zur Regierung in der Verfassung verankert wurde. Dabei half ein Blick ins Nachbarland Schleswig-Holstein, wo der "Oppositionsführer" (damals Jochen Steffen, der "rote Jochen"), der Fraktionsvorsitzende der stärksten Oppositionsfraktion, herausgehoben war bis zur Bezahlung eines Ministers.

Dieses Modell entstammt wiederum dem Unterhaus der einstigen Besatzungsmacht Großbritannien. Zur staatlichen Direktalimentierung des Oppositionsführers langte es in Hamburg damals nicht.

Davon wurde erstmals bei Echternachs Nachfolger Hartmut Perschau Gebrauch gemacht, der die Aufgabe als Fulltime-Job annahm. Das war aus unserer Sicht überfällig. Die Pressearbeit der CDU wurde ständig kritisiert. Unsere gelegentlichen Pressekonferenzen hielten der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit des Senats und der Behörden nicht stand. Seit Mitte der 90er-Jahre wurde die Bürgerschaft nicht mehr als "Feierabendparlament", sondern als Teilzeitparlament eingestuft, was den Anforderungen eher entsprach.

Ob und in welchem Umfang die Alimente bei herausgehobenen Funktionen divergieren können, ist seitdem nicht nur in Hamburg umstritten. In Schleswig-Holstein ist das Gehalt eines Fraktionsvorsitzenden jetzt festgelegt, eine Aufstockung nicht erlaubt. Die hier wesentlich höheren Diäten bringen mit der erlaubten Zulage die Fraktionsführer praktisch auf das Niveau eines Ministers. Die werden nach B10 mit 20 Prozent Zulage, der Ministerpräsident nach B11 mit 20 Prozent Zulage bezahlt. In Hamburg bemisst sich das Gehalt der Senatoren nach B11 mit Zulage, wurde von der CDU in Oppositionszeiten ständig angegriffen und von der SPD mit der Besonderheit des Stadtstaates verteidigt, weil hier die mittlere Ebene (Regierungspräsidenten) fehlte und die Behörden entsprechend belastet wären. Eine politische Frage, die in Gesetzen geregelt und nicht, wie Wegner behauptet, Gegenstand der Verfassung ist.

Man sollte aber die Diskussion nicht nur auf das Gehalt eines Oppositionsführers lenken. Die Realität des Parlamentsbetriebes hat sich längst vom Gegensatz Senat/Parlament hin zu Gegensatz Regierungsseite/Opposition verlagert, wobei weniger das Parlament in seiner Gesamtheit als die Opposition die Kontrollfunktion übernimmt. Hieraus begründen sich die Minderheitsrechte, welche die Opposition stärken. Ein Untersuchungsausschuss könnte sonst kaum gegen die Verteidiger der Regierung durchgesetzt werden. In diese Sichtachse gehört die Bewertung des Oppositionsführers, der im britischen Protokoll als "Royal Leader of the opposition" ganz hoch angesiedelt ist.