Nach Hanse-CD droht weiteren Geschäften des Hanse-Viertels die Verdrängung. Sie können die Miete nicht mehr zahlen

Hamburg. Die Schilder muten wie Winterschlussverkauf an, künden aber von einem Abschied für immer. Rabatt gewähren die Ladenbesitzer nicht saisonal bedingt, sondern als finale Geste. Danach wird es keinen weiteren Schlussverkauf geben. Jedenfalls nicht hier, im Hanse-Viertel. Denn wie sich jetzt zeigt, ist die mögliche Schließung des Klassik- und Jazz-Fachgeschäfts Hanse-CD in der Passage nur der Anfang eines größeren Umwandlungsprozesses. Auch andere Läden müssen das Einkaufszentrum zwischen Hohe Bleichen, Große Bleichen und Poststraße verlassen, weil sie sich Mieterhöhungen nicht leisten können.

"Es ist ein großer Jammer", sagt etwa Hans Rohscheid. Vor 25 Jahren bezog er mit seinem ABC-Antiquariat das Einkaufsviertel. "Aber am 31. Juli ist Schluss", sagt er. "An diesem Tag werde ich meinen Laden besenrein verlassen." Wie Hanse-CD könne auch er die neu angesetzte Miete nicht bezahlen, darum zieht er seine Konsequenzen. "Es ist schade", sagt er, "dass die kulturelle Verarmung der Innenstadt weiter voranschreitet." Immer mehr "08/15", das sei schon zu bedauern. Andererseits, sagt Rohscheid, habe er Verständnis für die Mechanismen des Immobilienmarktes. "Wenn ich Aktionär beim Hanse-Viertel-Eigentümer Allianz wäre, würde ich mir wahrscheinlich auch größtmögliche Rendite wünschen." Das sei nun mal der Deal. Aber für eine Stadt wie Hamburg, die Kulturstadt sein wolle, sei diese Entwicklung, die schwindende Branchenvielfalt bei zunehmender Filialisierung, beklagenswert.

Auch andere Ladeninhaber haben Mieterhöhungen auf dem Tisch. Weil sie aber auch Verhandlungen mit den Projektentwicklern von ECE vor der Brust haben, wollen sie anonym bleiben, um ihre Verhandlungsposition nicht zu schwächen. "Turnusmäßig laufen jetzt einige Mietverträge aus. Das sind die Spielregeln", sagt etwa ein Geschäftsbesitzer. "Aber überzogene Mieten einzufordern und die Kosten für uns zu verdoppeln - das gehört nach meinem Verständnis nicht dazu." Es sei eine Frage des Maßhaltens, "denn im jetzt vorgeschlagenen Umfang ist die neue Miete für uns nicht zu wuppen."

Seitens der Hamburger Projektentwickler von ECE, die von der Allianz mit der Objektverwaltung betraut wurden, heißt es: Mietverhandlungen seien ein Dialog und keinesfalls festgeschrieben. Sprecher Christian Stamerjohanns sagt, ECE habe den generellen Auftrag, das Hanse-Viertel umzustrukturieren. Zum einen herrsche Unzufriedenheit wegen einer Leerstandsfläche, die behoben werden müsse. "Zum anderen wurden einige Mietverträge seit Jahren nicht angepasst, obwohl sich das direkte innerstädtische Umfeld stark nach vorn entwickelt hat." Heißt: Wie im Fall von Hanse-CD, deren Inhaber nur 40 Prozent des umliegenden Tarifs zahlten, müsse der übliche Preis für diese exponierte Lage verlangt werden. Stamerjohanns spricht von "leistungsfähigen" Mietern in einem "optimierten" Umfeld, die "wichtig" für das Hanse-Viertel seien. "Der Umsatz muss stimmen, es sollen gezielt Leute kommen, deshalb müssen die Läden ins Gesamtkonzept passen." Dieses Gesamtkonzept soll in "ein paar Wochen" vorliegen. Derzeit gebe es 50 Mieter, mit zwölf von ihnen, hauptsächlich an den Außenfronten, werde über höhere Mieten verhandelt.

"Man muss wohl einsehen, dass man als inhabergeführter Laden nichts in der Innenstadt verloren hat"; sagt Petra Petrowic, Inhaberin von Vegas Modeschmuck exklusiv. Ihren Mietvertrag wird sie aus freien Stücken nicht verlängern. "Es ist nicht nur die hohe Miete, sondern auch das geänderte Kaufverhalten. Die meisten Kunden in der Innenstadt haben universelle Ansprüche, die sie in Filialen erfüllen. Da sieht es für individuelle Läden schlecht aus." Aber, sagt sie, im Umkehrschluss sei es vielleicht wirklich so, dass die Zukunft kleiner Läden in den Stadteilen liege.

Agnes Wiebicke, zweite Geschäftsführerin beim im Hanse-Viertel ansässigen Reformhaus Engelhardt, spricht dagegen von Glück, bleiben zu können: "Wir haben unseren Mietvertrag unlängst zu den alten Konditionen verlängern können. Eine höhere Miete hätten wir aber nicht bezahlt." Dennoch erhoffe sie sich von ECE eine Belebung des Viertels. Denn mit der Bestandssituation könne man nicht zufrieden sein.