Diese unverbesserliche Sturheit! Am Ende zweifelt er sogar an der Richtigkeit des Kalenders. So wie Walter B. vieles mit einer ärgerlichen wegwerfenden Handbewegung als Unsinn abtut, was andere behaupten. Der 11. September vergangenen Jahres soll ein Sonnabend gewesen sein? Der Kalender sagt das? Völlig unmöglich! Denn sonnabends geht er niemals einkaufen. Deshalb könne er an diesem Tag auch nicht mit dem Wagen in Hamburg unterwegs gewesen sein, und deshalb könne er logischerweise auch schwerlich einen Unfall verursacht haben. Punktum.

86 Jahre ist Walter B. alt, und die Welt scheint er im Laufe seines Lebens in unumstößliche Gesetzmäßigkeiten gegliedert zu haben, bestimmte Gewohnheiten, fest stehende Abläufe, seine eigenen Regeln, die zumindest in einer Hinsicht nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen sind. Denn offenbar mangelt es dem Rentner beharrlich an der Einsicht, dass niemand ohne gültige Fahrerlaubnis Auto fahren darf. Auch er nicht. Obwohl er schon vor längerer Zeit wegen einer von ihm begangenen Unfallflucht seinen Führerschein abgeben musste, hat das Verbot bei Walter B. wohl nicht wirklich gefruchtet. Deshalb will die Staatsanwaltschaft jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht noch einen Schritt weitergehen. Sie will erreichen, dass das Auto des Mannes eingezogen wird. Damit der Rentner gar nicht erst wieder in Versuchung kommt, sicher ist sicher.

Das Alter hat bei Walter B. seinen Tribut gefordert. Ein wenig gebeugt die Haltung, der Gang leicht schleppend, hat er sich die Treppe zum Verhandlungssaal hochgemüht, ein Mann mit weißem Haar und dicken Brillengläsern. Doch seine Stimme hat bis heute nicht an Kraft verloren, und so weist er energisch die Vorwürfe der Anklage zurück. Laut Ermittlungen ist der Hamburger an zwei Tagen mit seinem Wagen unterwegs gewesen, obwohl er keinen Führerschein mehr hat. Und an beiden Tagen, dem 11. September vergangenen Jahres sowie dem 2. Februar, hat er dabei Autounfälle mit einem Gesamtschaden von 1600 Euro verursacht und Unfallflucht begangen.

Bei dem ersten angeblichen Vorfall sei nicht er, sondern seine Frau gefahren, behauptet der Rentner nun. Und seine Haushaltshilfe habe hinten mit im Wagen gesessen. Doch zwei Zeugen sind sich sicher, dass sie "einen älteren Herren" auf dem Fahrersitz und ansonsten niemanden im Auto gesehen haben. Und auch seine Haushälterin Anna, von der er sich Rückendeckung erhofft hatte, kann als Zeugin nicht bestätigen, dass Walter B. am fraglichen Tag nicht am Steuer saß. Denn sie sei schlicht nicht dabei gewesen.

Beim zweiten angeklagten Vorfall sei er tatsächlich gefahren, räumt Walter B. jetzt ein. "Doch das war nur ganz kurz, höchstens 100 Meter", verteidigt sich der betagte Mann. Zudem habe sich das auf einem öffentlichen Parkplatz abgespielt. "Ich dachte, das ist nicht so schlimm. Außerdem war schlechtes Wetter, und der Wagen war zwischen zwei anderen Autos eingeklemmt", argumentiert er. "Meine Fahrerin konnte da nicht raus. Dass ich mich kurz ans Steuer gesetzt habe, war ein Notbehelf." Und den Unfall habe er nicht bemerkt. "200 Euro Sachschaden, das kann ja nicht so doll gewesen sein", findet Walter B. Außerdem habe er schlecht sehen können. "Die Scheiben waren beschlagen", erzählt er, offenbar im Glauben, das sei eine angemessene Entschuldigung. Doch der Amtsrichter ist entsetzt. "Auch das noch! Sie haben keinen Führerschein und können nichts sehen? Fahren Sie da nach Gehör?" Es sei doch nur "ein Notbehelf" gewesen, beharrt der Angeklagte. Es klingt kein bisschen kleinlaut, sondern eher bockig.

Im Ergebnis bleiben zwei Fälle von Unfallflucht. Dann müsse er wohl Taxi fahren, grummelt Walter B. "Der Taxifahrer hat wenigstens einen Führerschein", sagt der Richter trocken. Eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 40 Euro verhängt er schließlich für den 86-Jährigen. Zudem muss Walter B. weitere zwei Jahre auf seinen Führerschein verzichten. Und auf sein Auto erst recht. Das Gericht gewährt ihm eine Frist von zwei Monaten, um sein Fahrzeug zu verkaufen und dies dem Gericht nachzuweisen. Andernfalls, erläutert der Richter dem Angeklagten, werde der bereits beschlagnahmte Wagen endgültig und ersatzlos eingezogen. Es gebe eine "unheimliche Gefährdung, wenn Sie Zugriff auf einen Wagen haben. Ich will nicht, dass Sie weiter damit herumkurven."

Seine rechthaberische Haltung trägt Walter B. nach dem Prozess weiter mit sich herum. Warum sie denn nicht seine Aussage bestätigt habe, herrscht der Mann seine Haushaltshilfe Anna vor der Tür an. Es sieht so aus, als sei das Arbeitsverhältnis fortan getrübt.