Sie habe sich durchbeißen müssen, sagt Kerstin Borras. Als Teilchenphysikerin bei Desy (Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Bahrenfeld arbeitet sie in einer klassischen Männerdomäne. Vor 20 Jahren wurde sie an ihrem ersten Arbeitstag als Physikerin in der Industrie für die neue Sekretärin gehalten. "Später, während einer Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, gab mir mein Vorredner seine Folien zum Kopieren in die Hand. Ich sagte nur, dass ich stattdessen lieber meinen Vortrag halten würde."

Die Zeiten haben sich geändert. Heute führt die 50-Jährige eine Arbeitsgruppe mit 60 Mitarbeitern. "Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass Frauen Forschungsgruppen leiten und Fachvorträge halten", sagt sie. Kommt es doch mal zu Taktlosigkeiten, sieht sie das gelassen. Mit Humor, Durchsetzungsvermögen und Kompetenz funktioniere die Zusammenarbeit sehr gut. "Heute wachsen die Frauen ganz natürlich in die Männerdomäne hinein und behaupten sich dort auch."

Allerdings gebe es immer noch zuwenige Mädchen, die sich für Naturwissenschaften interessieren. Die Physikerin fordert, die Kinderbetreuung mit flexiblen Öffnungszeiten noch mehr auszubauen. Ihr Sohn Hendrik ist inzwischen 16 Jahre alt. Als er noch klein war, war seine Mutter in Sachen flexibler Arbeitszeiten und -orte Pionierin: "Ich bekam eine der ersten Heim-PC-Verbindungen zum Desy. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, hat es mir erlaubt, im Beruf zu bleiben." Telearbeit war damals etwas Besonderes. Was die Wissenschaftlerin jungen Frauen mit auf den Weg geben möchte? "Mach das, was dir Spaß macht, dann kommst du voran. Warte nicht darauf, entdeckt zu werden."