Als der Tierpfleger ihn nach seinem Beutezug verfolgte, schlug Frank L. ihm die Eisenstange ins Gesicht. Das Opfer erlitt einen Jochbeinbruch.

Hamburg. Es gibt gemütlichere Orte für eine Ruhepause. Nicht unbedingt einen Kellereingang und schon gar nicht den zur Leichenhalle eines Krankenhauses. Doch da saß er, auf einer Getränkekiste, neben sich eine Tüte alten Brotes, mit dem er seinen Hunger stillen wollte, und dazu eine Eisenstange. Er wirkte ganz entspannt, harmlos, so als könne er kein Wässerchen trüben. Tatsächlich aber hatte Frank L. gerade mehrere Straftaten begangen. Das Brot, eigentlich als Tierfutter gedacht, hatte er im Tierpark Hagenbeck gestohlen, und auch die Eisenstange hatte der 52-Jährige in dem Zoo entwendet. Doch vor allem war da die brutale Attacke auf einen Tierpfleger. Als der nämlich die Verfolgung des Diebes aufgenommen hatte, hatte Frank L. ihm die Eisenstange ins Gesicht geschlagen und dem Opfer einen Jochbeinbruch zugefügt.

Rund sechs Monate liegt dieser Vorfall jetzt zurück, doch im Leben von Frank L. scheint Zeit ein nebensächlicher Faktor zu sei. Seine Vergangenheit kaum mehr als eine lästige Erinnerung an eine trostlose Kindheit, die Straftat eine nicht sonderlich bedeutsame Episode und seine Zukunftspläne übersichtlich. Sie waren auch alles andere als ehrgeizig: Er träume davon, sich ein Mofa zu kaufen und damit herumfahren, sagt der Frührentner jetzt im Gerichtsverfahren vor dem Landgericht, und am liebsten hätte er eine kleine Wohnung und CDs mit Rockmusik, dann sei alles gut. Und falls das nicht klappt, will er auf der Straße leben, einfach nur in Ruhe gelassen werden und in jedem Fall Alkohol trinken. Das reicht ihm als Perspektive.

Doch auch diese reduzierten Wunschvorstellungen werden wohl zunächst Illusion bleiben. Denn das Gericht muss darüber entscheiden, ob Frank L. eine Gefahr für die Allgemeinheit ist, ob er wegen einer psychischen Erkrankung auch gegen seinen Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss. Etliche Male ist er bereits für kürzere Zeit behandelt worden. Und stets mit sehr bescheidenem Erfolg.

Jetzt sitzt der hagere Mann mit dem kurz rasierten Schopf vor seinen Richtern und erzählt, der Blick gleichmütig, die Stimme kaum mehr als ein Nuscheln. Von seiner Kindheit berichtet er, von seinem Vater, der viel getrunken, und seiner Mutter, die ihn herzlos behandelt habe, von seinen früheren Jobs auf dem Bau. Man müsse es nicht nur "hier haben", sagt Frank L. und tippt sich auf den rechten Bizeps, "sondern auch hier", erklärt er mit einer Geste zu seinem linken Oberarm. Doch wirklich lebhaft wird er erst, wenn er von seiner großen Leidenschaft, dem Fußball, erzählt. Wie weggewischt wirkt dann die Gleichmütigkeit, die üblicherweise über seinem bleichen Gesicht liegt. Dann wird auch die Stimme energisch, und voller Enthusiasmus reckt er die tätowierte Faust nach oben.

Seine Liebe zum Fußball ist es nach seiner Darstellung auch gewesen, die zusammen mit anderen Faktoren ein Auslöser für den Angriff auf den Tierpfleger gewesen sei. Denn der Mann, der ihn nach dem Diebstahl bei Hagenbeck verfolgt hatte, habe "den HSV beleidigt", gibt Frank L. an. Zudem habe er ein Messer in der Hand gehalten und ihn bedroht. Doch diese Darstellung, da sind sich alle anderen Verfahrensbeteiligten einig, ist lediglich das Produkt seiner Fantasie.

Laut Sachverständigem leidet der 52-Jährige an einer paranoiden Schizophrenie, ähnliche Taten wie der Angriff mit der Eisenstange seien zu erwarten, wenn Frank L. nicht therapiert werde. Zudem seien da der Hang zum Alkohol bei dem Frührentner und die mangelnde Einsicht, dass er dringend mit dem Konsum von Hochprozentigem aufhören müsse. Er wolle "weiter trinken, solange es mir schmeckt und ich nicht den Löffel abgebe", hat Frank L. mehrfach verkündet. Er wirkt ganz zufrieden bei dieser Aussicht, scheint mit sich und der Welt im Reinen.

Doch bis auf Weiteres wird Frank L. auf Alkohol gänzlich verzichten müssen, letztlich zu seinem eigenen Besten. Das Landgericht beschließt seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der Angriff auf den Tierpfleger sei ein so gefährliches Verhalten, erläutert der Vorsitzende Richter. "Es kann alles passieren, wenn jemand zur falschen Zeit am falschen Ort auf ihn trifft."

Ihn unbehandelt in Freiheit zu entlassen halte das Gericht "für unverantwortlich. Sie müssen in der Klinik bleiben, es nützt alles nichts." Für diese Zeit hat sich Frank L. in seinem letzten Wort etwas Besonderes gewünscht, ein bisschen Dekoration für den Raum in dem geschlossenen Krankenhaus, in dem er in nächster Zeit leben wird. Fanartikel von Borussia Mönchengladbach hätte er gern, sagt der 52-Jährige, "Dinge von meinem Verein".