Gestern, heute, morgen: Sonne. Die Hamburger begrüßten sie wie einen verlorenen Sohn und verspüren erste Frühlingsgefühle.

Hamburg. Wenn Arktisforscher nach einer monatelangen Polarnacht die ersten Zeichen der Sonne am Horizont entdecken, ist es so, als ob man wieder in die Welt zurückkehren dürfe, heißt es dann bei ihnen. Nicht ganz so drastisch von den Auswirkungen, von der Gefühlslage her aber vergleichbar, dürfte es gestern vielen Hamburgern ergangen sein. Ein Sonne-Sonntag, wie es ihn in diesem Jahr noch nicht gegeben hat, erwartete sie bereits am Morgen. Zwar zeigte das Thermometer vielerorts auch nachmittags erst frostige drei, vier Grad. "Aber gefühlt ist das jetzt zweistellig", sagte Christian Moritz. Mit seiner Frau, der Schwägerin und einem Freund hatte er die Rennräder wieder ans Tageslicht geholt und sich zur ersten 50-Kilometer-Spritztour von Winterhude aus Richtung Elbdeich aufgemacht. Wochenlang konnten die Hobbytriathleten nur zu Hause auf dem Ergometer trainieren. "Nun gings das erste Mal wieder raus, ein absolut herrliches Gefühl", so sagten sie den Abendblatt-Reportern und preschten davon. Der Sonne entgegen.

Ein irgendwie "erhabenes Gefühl" verspürte einige Kilometer weiter auch Batoul Liebsch. In Eilbek betreibt die 61 Jahre alte Zahnärztin seit nun 20 Jahren ihre Praxis, zum Ausgleich werkelt sie im Garten. Und wie bei den Winterhuder Triathleten war es gestern auch für sie der erste Tag im Jahr, den sie bei ihrem Hobby wieder draußen verbringen durfte. Mit dem Zurückschneiden von Ästen und Zweigen begann sie nun ihr neues Gartenjahr. Ein Foto von ihr bei der Arbeit? "Gar kein Problem", hieß es da wie so oft gestern während einer Rundfahrt durch eine sonnige Stadt. Das erste, wirklich starke Frühlingslicht von dem gut 150 Millionen Kilometer entfernten Gestirn reichte aus, um allerorten eine heitere Stimmung zu schaffen. Im Straßencafé, an der Elbe, im Park, beim Spaziergang in der HafenCity - überall freundliche, nette Menschen.

Was mag das für eine Kraft sein? Sonnenlicht, so sagen Forscher, sei zur Bildung von Vitamin D wichtig. Ein Stoff, der die Knochen stärkt. Aber der auch die Gefühle steuert? Immerhin spricht der Volksmund von Frühlingsgefühlen, die jetzt erwachen. Die gesteigerte Lichtintensität soll dabei für eine verstärkte Hormonausschüttung verantwortlich sein, was dann tatsächlich für leichte Euphorie sorgen könnte. Andererseits aber gibt es auch das Phänomen "Frühjahrsmüdigkeit" - weil jetzt möglicherweise auch das Schlafhormon Melatonin stärker gebildet wird. Wie auch immer: Vermutlich sind es Müdigkeit und Euphorie, die zu dieser heiteren, gelassenen Stimmungslage führen.

Offenbar sogar bei den Tieren: Dem Mischlingshund Bodo ging es gestern jedenfalls ausgesprochen gut, als er im Beiwagen einer alten, russischen Ural durch die Landschaft spazieren gefahren wurde. Herrchen André Drossard aus St. Pauli hatte wie so viele den Tag zum ersten Motorrad-Ausflug des Jahres genutzt.

Und kurz nach dem astronomischen Frühlingsbeginn am 21. Februar kann es nun sogar noch besser werden: Mit jedem Tag geht die Sonne etwa vier Minuten früher auf und ebenso viele Minuten später wieder unter. Die Tage werden länger, die Chancen auf noch mehr sonnigwarme Sonntage größer.