Für die Angeklagten waren die Laserpointer-Angriffe auf Piloten zunächst ein Spiel. Gestern standen sie vor Gericht

St. Georg. Vor Gericht wirken sie geknickt, der eine hat nervöse, rote Flecken auf den Wangen, der andere starrt betreten zu Boden. Es könnten ebenso gut zwei Schüler sein, die nach einem tumben Streich dem Direktor Rede und Antwort stehen - davon kann hier aber nicht im Ansatz die Rede sein.

Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, als Philip P., 19, und Kevin-Ken H., 18, mit einem Laserpointer vier Flugzeuge im Landeanflug und einen Polizeihubschrauber anvisierten. Diesen Irrsinn, angeklagt als "gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr", verkaufen sie vorm Amtsgericht St. Georg indes als pubertären Lausbubenstreich. "Jugendlicher Leichtsinn?" Das klingt angesichts der Gefahr eines Absturzes geradezu putzig.

Die jungen Männer sind die ersten überhaupt, die sich in Hamburg wegen einer Blendattacke auf Piloten verantworten müssen, insofern betritt auch die Justiz Neuland. Nun wollen sie ihre Taten gestehen, und Philip P. erzählt erst einmal vom Faktor Spaß. Er habe den grellen Strahler für 20 Euro von einem Freund gekauft. Mit Kevin-Ken H., der wie er in einem Horner Jugendwohnheim lebt, habe er ihn am 14. Juni getestet. Erst hätten sie Häuserwände und Straßenschilder angeleuchtet. Weil ihnen das schnell langweilig geworden sei, hätten sie Rümpfe von Flugzeugen, aber nicht deren Cockpits, ins Visier genommen. "Ich hätte nie gedacht, dass man so weit blenden kann", sagt Philip P. Dabei hatten sie zuvor die Reichweite des Laserpointers erfolgreich am Kilometer entfernten Fernsehturm erprobt.

Die vier Flugzeuge aus Mallorca, Teneriffa, München und Frankfurt befanden sich im Landeanflug auf Fuhlsbüttel. Mal streifte der grüne Lichtstrahl die Kabine, in zwei Fällen aber ging er direkt ins Auge. Der Kopilot einer Maschine aus München musste sich zum Schutz sogar eine Sonnenbrille aufsetzen. Sicherheitshalber hatte der Tower alle ankommenden Flieger auf eine andere Landebahn umgeleitet und die Polizei alarmiert, die mit ihrem Hubschrauber "Libelle" per Wärmebildkamera Jagd auf die Täter machte. Dabei nahmen die jungen Männer auch den Libelle-Piloten ins Visier.

Laser-Attacken auf Piloten sind in Hamburg nicht ungewöhnlich: Allein 2010 verzeichnete das Luftfahrt-Bundesamt hier elf Angriffe. Stephan G., Pilot der Libelle, war schon vor dem Einsatz am 14. Juni zweimal geblendet worden. Nachts sei die Instrumententafel stark herunter gedimmt, gerade beim Flug über dunkle Objekte wie Parks sei die Umgebung schwer zu erkennen. "Wenn man dann geblendet wird, wird schlagartig alles hell", sagt Stephan G. Für einige Sekunden sei man blind und könne im schlimmsten Fall bei einer Störung nicht rechtzeitig reagieren.

Unmittelbar nach der Tat erwischte die Polizei die Täter. Einem Beamten ließ der Fall keine Ruhe, er las den Jugendlichen in der betreuten Wohneinrichtung die Leviten. Ein "Einlauf" sei das gewesen, sagt Jens T., 56, er habe ihnen schon verdeutlicht, was hätte passieren können, wenn der Pilot eines 145 Tonnen schweren Flugzeuges über einem Wohngebiet geblendet wird. Die Botschaft sei jedenfalls angekommen.

Nicht ohne Grund sieht der Gesetzgeber bei einem "gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr" Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Im Fall von Philip P. und Kevin-Ken H. wendet das Gericht indes das erzieherische Jugendstrafrecht an. "Sie haben die Gefahr billigend in Kauf genommen", sagt die Amtsrichterin.

Bedingt vorsätzlich hätten sie gehandelt - für diese Annahme reiche aus, dass sie sich über die Folgen ihres Tuns keine Gedanken gemacht hätten. Nur mit Glück sei kein Mensch zu Schaden gekommen. Den vorbestraften Philip P. verurteilt sie zu zwei Wochen Jugendarrest, Kevin-Ken H. muss 30 Arbeitsstunden leisten. Am Ende bedauern sie die Tat. "Ich nehme nie wieder einen Laserpointer in die Hand", sagt Kevin-Ken H. Man möchte es gern glauben.