Die neue Kultursenatorin hat in Hamburg riesige Chancen

Gut zu wissen, dass Hamburgs neue Kultursenatorin eine Arbeiterin in Sachen Kultur ist. Viel weiß man in Hamburg nämlich nicht von Barbara Kisseler, bislang parteilose Chefin der Berliner Senatskanzlei. Und: Professorin honoris causa für Kulturarbeit an der FH Potsdam. Also einer dieser Studiengänge, die jedes Jahr viele junge Menschen auf den Arbeitsmarkt werfen, die später mal was mit Medien machen. Was nicht weiter schlimm ist, ist ja wenigstens kreativ.

Barbara Kisseler ist eher eine Frau der Verwaltung. Ihre Komfortzone wurde bislang begrenzt von den Mauern einer Behörde, sie kennt sich aus mit Strukturen und Statistiken, mit Budgets und Bescheiden. Das soll sie auch. Man muss eine Behörde führen können, sonst wird man selbst vorgeführt. Und trotzdem kann dieses Wissen nur die Grundlage sein, um die wirklich wichtigen Fragen anzugehen: Wohin steuert die Hamburger Kultur? Was wird aus ihren größten Baustellen - dem Schauspielhaus, der Stiftung Historische Museen, der Off-Kultur? Wie schafft man Bedingungen, unter denen Kultur von alleine entsteht?

So wie seit Jahren in Berlin. Dass Barbara Kisseler dort lebt, ist ein großer Trumpf. Denn nur dort lässt sich die Atmosphäre spüren, die es braucht, um junge Kulturschaffende aus der ganzen Welt anzuziehen. Aber auch mit bezahlbaren Wohn- und Arbeitsbedingungen zu halten. Noch jedenfalls. Denn gerade in der Hauptstadt verändern sich Stadtteile wie Kreuzberg und Friedrichshain so rasant, dass sie bald nicht wiederzuerkennen sein werden - und nicht mehr bezahlbar. Hier liegt eine riesige Chance für Hamburg.

Sicher, der ganz große Wurf ist die Benennung von Barbara Kisseler nicht. Den hat Olaf Scholz nicht gewagt oder nicht gewollt. Er wird seine Gründe gehabt haben; hoffentlich keine, die mit der Quote zu tun haben. Damit wäre keinem gedient. Nicht den Künstlerinnen, nicht den Künstlern.

So präsent, so geschlossen, so hungrig wie in diesen Monaten war die Hamburger Kulturszene vielleicht noch nie. Sie hat einem Bürgermeister und seinem Kultursenator gezeigt, dass man ein Museum nicht einfach so schließt, dass man Deutschlands größte Sprechbühne nicht so einfach kaputtspart. Wer als Kulturarbeiter derzeit in diese Stadt zieht, muss sich fühlen wie vor Kurzem noch die Schwimmer in Hightech-Anzügen: ein Sprung ins Becken, und alles ist möglich. Es sei denn, man ist wasserscheu. Aber so jemand kommt ja nicht nach Hamburg.