Marcus Weinberg, möglicher neuer Chef der Hamburger CDU, ist der Gegenpol von Walter Scheuerl, dem parteilosen Schulreformgegner.

Ungebetene Gäste bleiben in Erinnerung. Es war ein freundlicher Tag im Juni 2008, für den Marcus Weinberg einige Gäste aufs Podium geladen hatte. Diskutiert werden sollte ein nahezu unbekanntes Projekt von CDU und GAL: die Primarschule. Das Telefon des CDU-Bundestagsabgeordneten klingelte, Walter Scheuerl stellte sich vor. Er lud sich selbst ein, mitzureden. "Die Presse würde es übrigens interessieren, wenn die Volksinitiative ausgeschlossen würde", sagte er. Es war also keine Bitte, mit der die Beziehung zwischen Weinberg, CDU-Kämpfer für die Schulreform, und Scheuerl, Frontmann der Initiative "Wir wollen lernen", begann.

Größere Bildungsreformen sind vom Tisch. Dennoch könnten die beiden Antipoden zum längeren gemeinsamen Lernen verdonnert sein: Walter Scheuerl wird als parteiloser Abgeordneter für die CDU in der Bürgerschaft sitzen. Marcus Weinberg ist als Hamburger CDU-Chef im Gespräch.

Man muss sich fragen: Ist die CDU zu klein für beide?

Weinberg ist ehemaliger Lehrer und spielt gerne Fußball: Defensives Mittelfeld für den FC Bundestag. Der 43-jährige Familienvater verloste mal Stadionkarten - für beide Teams: HSV und St. Pauli. Seine Kumpels am Millerntor sind nicht gerade CDU-Wähler. Er legt Wert darauf, im "Kerngebiet Altona" aufgewachsen zu sein, also soziale Probleme zu kennen. Scheuerl ist Sohn eines Pädagogikprofessors. Seine zwei Kinder besuchen ein Gymnasium. Er erinnert sich gerne an einen Erfolg als Jugendlicher: Beim 1000-Meter-Lauf hängte er einst die ganze Klasse ab.

Der 50-jährige Rechtsanwalt aus den Elbvororten treibt Leute so lange vor sich her, bis er an der Spitze steht. Weinberg ist zurück nach hinten gelaufen, als die Gegner der Schulreform stärker wurden. Er weiß, wenn ein Spiel verloren gegangen ist. "Die Primarschule ist kein Thema mehr, was will Herr Scheuerl noch von mir?"

Unberechtigt ist die Frage nicht. Kürzlich bezeichnete die Initiative "Wir wollen lernen" Weinberg als den letzten "noch in der CDU-Führungsriege verbliebenen" Anhänger der Primarschul-Pläne. Das klingt beinahe nach Exorzismus; als ob da ein Bildungspolitik-Teufel gänzlich ausgetrieben werden soll. Scheuerl reagiert auf solche Begriffe gelassen: "Jeden Tag" frage er sich, ob er sich noch weiter für Schulpolitik einsetzen müsse, seit die Initiative 276 304 Unterschriften beim Volksentscheid bekam. Er finde, er müsse. Als Abgeordneter wolle er die Arbeit von "Wir wollen lernen" weiterführen: Anfragen stellen und Reden halten. Nicht mehr nur auf der Tribüne in der Bürgerschaft sitzen. Das klingt nach einer freien Mandats-Auffassung. Scheuerl will weitermachen, wo die Union vor den Wahlen 2008 aufgehört habe: Damals fuhr die Partei Kampagnen vor allem zur Rettung des Gymnasiums. Und auch Weinberg wird hier anknüpfen müssen.

Ob sie wollen oder nicht: Die beiden sind Pole einer Strukturdebatte der Christdemokraten. Der Bundestagsabgeordnete sieht in dem Kurs Ole von Beusts seinen Weg: in die Mitte, etwa die Gerechtigkeit der Chancen in den Mittelpunkt zu stellen. Als Scheuerl verkündete, er wolle mit dem Altbürgermeister nicht gemeinsam Wahlkampf machen, äußerte sich der sonst eher ruhige Weinberg öffentlich: "Diese Bemerkung war zu viel." Scheuerl hingegen weist das Etikett diverser Beobachter zurück, Anführer des konservativen Aufstands zu sein. "Die CDU muss ihren eigenen Weg finden." Auch er sei für soziale Durchlässigkeit, aber "leistungsorientiert".

Diese Widersprüche werden sie untereinander nicht klären. Beide sind gesprächig, haben sich aber nur wenig zu sagen. Man meidet sich in einer Abneigung, die nicht mal herzlich ist. "Herr Scheuerl ist immer in der ersten Reihe zu sehen", sagt Weinberg. Wie beim Besuch des Verteidigungsministers in Hamburg, als beide nebeneinander saßen. Es dürfte Weinberg gefreut haben, dass zu Guttenberg in seiner Rede ihn erwähnte, Scheuerl aber nicht.

Ein Parlament dagegen hat viele Bänke, da sitzt man nicht gleich in der ersten Reihe. "Das interessiert mich auch nicht", sagt der Rechtsanwalt.

Ist die CDU also groß genug für beide? "Wenn Herr Weinberg Parteichef wird, ist die CDU nicht meine Partei", sagt Scheuerl. Weinberg sagt: "Soll Herr Scheuerl als Abgeordneter glücklich werden, dort gibt es viele dicke Bretter zu bohren."