Die Gewerkschaft GDL legt Bahnverkehr bundesweit lahm. Tausende Pendler im Norden betroffen. Viele Kunden sind genervt von den Zugausfällen.

Hamburg. Dunkel war es und bitterkalt, als die Fahrgäste am frühen Dienstagmorgen auf den Bahnsteigen des Hamburger Hauptbahnhofs bibbernd auf die Anzeigetafeln schauten: Wegen Warnstreiks würden sich viele Züge verspäten oder gar ausfallen - und das bei Eiseskälte und im morgendlichen Berufsverkehr. Den Grund dafür sahen die aufgebrachten Fahrgäste schon um 6 Uhr früh im Nordeingang des Hauptbahnhofs: Fahnen und Schilder der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), hochgehalten von gut einem Dutzend streikender Zugführer, die zur Solidarität aufriefen.

"Danke schön. Ihr seid überhaupt nicht solidarisch. Ihr seid ein Ärgernis", schimpft ein vorbeistürmender Berufspendler beim Anblick der Streikenden. Von 6 bis 8 Uhr froren fast überall in Deutschland Berufspendler, und bis in den Abend waren die Auswirkungen der Verspätungen zu spüren.

Mit dem Warnstreik, zu dem die GDL aufgerufen hatte, will sie einen bundesweiten und in allen Eisenbahnunternehmen gültigen Flächentarifvertrag erreichen. GDL-Chef Claus Weselsky spricht von 80 Prozent Zugausfall am frühen Morgen und einem "vollen Erfolg". Er droht: "Wir können auch mehr. Wir können auch länger." In den nächsten Tagen wird die GDL an ihre Mitglieder die Wahlzettel für die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik versenden.

"Ich arbeite einige Jahre für die Bahn, steige in den Lohngruppen auf, dann wechselt der Streckenbetreiber - und ich fange wieder unten an", beschreibt Lokführer Mario Wachs im Nordeingang das Problem eines fehlenden Flächentarifvertrags.

Bundesweit waren gestern laut Bahn Millionen Kunden betroffen. "Ich wusste von dem Streik, aber hatte gehofft, dass ich Glück habe. Das war wohl naiv", sagt Elke Keller am Bahnsteig. Verständnis äußerte hingegen Gerlinde Marx, die in den beheizten, aber stehenden ICE nach München geflüchtet war. "Streiken ist doch ein Grundrecht", sagte sie im Warmen.

Vermutlich müssen sich die Hamburger auf weitere Zugausfälle einstellen: "Wir gehen nicht davon aus, dass wir von den Arbeitgebern ein entsprechendes Angebot bekommen. Deswegen werden wir auch in nächster Zeit solche Warnstreiks vornehmen", sagt Lutz Schreiber, der GDL-Chef des Bezirks Nord. Die weiteren Streiks würden aber wieder "rechtzeitig angekündigt", so Schreiber weiter. Rechtzeitig bedeutet aus Gewerkschaftssicht in der Regel um 18 Uhr am Vortag. Doch die betroffenen Bahnunternehmen erfuhren gestern die Hiobsbotschaft konkret erst am früh am Morgen, kurz vor Streikbeginn.

"Im Sinne der Fahrgäste wäre frühere Planung besser", sagte Andreas Winter, Geschäftsführer der Nord-Ostsee-Bahn (NOB). Doch auch bei konkreteren Vorab-Infos scheinen kleinere Nahverkehrsunternehmen wie die NOB keinen "Plan B" zu haben: Gerade in Stoßzeiten sind Ersatzbusse außer Reichweite, da sie bereits im regulären Linienverkehr fahren. Die Deutsche Bahn, der größte Arbeitgeber der streikenden Lokführer, besetzte zum Teil ihre stehenden Züge mit nicht streikenden Fahrern.

Indes musste die GDL gestern harsche Kritik für ihr Vorgehen von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kassieren. "Die GDL sollte ihren politischen Eiertanz sein lassen", sagte Klaus-Dieter Hommel, Vizechef der EVG. Seine Gewerkschaft wirft der GDL vor, mit diesem Warnstreik nur mediale Aufmerksamkeit erzeugen zu wollen - eigentlich gebe es bereits einen guten Flächenvertrag für die Lokführer. Den habe die GDL allerdings bis jetzt nicht unterschrieben.