Ein Kommentar von Thomas Andre

"Von der Subversion zur Inszenierung. Der Phallus in feministischer Literaturwissenschaft und Genusforschung" - der Titel klingt ziemlich interessant. Und schwer nach Gender Studies. Aber eben so gar nicht nach der Beschäftigung mit dem Bereich der Exilliteratur, also den fiktionalen und autobiografischen Texten der vielen deutschsprachigen Dichter, die nach 1933 Nazi-Deutschland verlassen mussten. Die zitierte Arbeit entstammt der Feder einer Literaturwissenschaftlerin, die aller Voraussicht nach bald in Hamburg lehrt. Auf einer Stelle allerdings, die sich seit vielen Jahrzehnten der Erforschung der Exilliteratur widmet.

Diese Studien sind jetzt in Gefahr, und das ist nicht gut. Das Werk der exilierten Autoren (Oskar Maria Graf etwa, oder Nelly Sachs, Peter Weiss und Joseph Roth) mag zu großen Teilen erforscht sein; aber wie kann man davon ausgehen, dass das weite Feld der Auswandererliteratur je bis an seine Grenzen ausgemessen sein werde? Die bundesweit anerkannte Forschungsstelle völlig zwanglos aufzugeben, wäre fahrlässig. Längst noch nicht sind alle Nachlässe ausgedeutet, und wie die Exil-Literatur die Literaturen der Bundesrepublik und der DDR beeinflusste, das harrt weiter einer eingehenden Untersuchung. In mancherlei Hinsicht fehlt eine kohärente Zusammenschau vieler Einzelforschungen. Wo könnte man derlei besser leisten als in der Forschungsstelle in Hamburg?